Sonntag, 24. März 2024

Gruppenführerausbildung: Feuerwehr und Katastrophenschutz, eine vergleichende Betrachtung

In meinem „früheren Leben“ war ich Organisatorischer Leiter Rettungsdienst und Verbandführer im Katastrophenschutz und habe als Instruktor in der Führungskräftequalifizierung an der DRK-Landesschule des DRK-Landesverbandes Baden-Württemberg mitgewirkt und selbst viele Gruppen- und Zugführer ausgebildet.

Daher war ich sehr gespannt, was mich bei der Gruppenführerausbildung bei der Feuerwehr erwartet, als ich vor zwei Wochen den Lehrgang an der FÜBA in Eschbach angetreten bin.

Der offensichtlichste Unterschied besteht zunächst in der Lehrgangsdauer – beim DRK dauert die Qualifikation zum Gruppenführer 40 Stunden (bzw. Unterrichtseinheiten/UE), bei der Feuerwehr ist der Lehrgang mit 70 Stunden/UE angesetzt.

Der wesentlich prägnantere Unterschied ist aber der jeweilige Anteil von Theorie und Praxis:

⛑️ Gruppenführerausbildung KatS – Theorie: 
unter anderem rechtliche Rahmenbedingungen (RDG, LKatSG, FWG, DRKG, GG, ZSKG), Führungsebenen, Führungsvorgang als Denkmodell im Kreislauf (DV 100), Führungsmittel, IuK, taktische Zeichen (DV 102), Führen bei belastenden Einsätzen (Stressmanagement, PSNV), Besondere Einsatzlagen (HEIKAT, CBRN(E), GAMS, Demonstrationen/Großveranstaltungen), Führungstaktik bei Sanitätsdiensteinsätzen und MANV, Einsatzwerte der Bevölkerungsschutzeinheiten, Führungstaktik bei Betreuungsdienst (und weitere theoretischen Inhalte), rund 34 Stunden

⛑️ Gruppenführerausbildung KatS – Praxis: 
Erkundungsübung, z.B. für einen Behandlungs- oder Betreuungsplatz, rund 6 Stunden

👨‍🚒 Gruppenführerausbildung Feuerwehr - Theorie: 
unter anderem Einsatztaktik, Erkundung, Verhalten bei der Brandbekämpfung, Einsatzlehre, Baukunde, vorbeugender Brandschutz, Rettung und technische Hilfeleistung, Ausbilden, Gefährliche Güter und Stoffe, Feuerwehrrecht (FWG, LKatSG, RDG, GG), Brennen und Löschen, Einsatzleitung und Einsatzvorbereitung, rund 36 Stunden

👨‍🚒 Gruppenführerausbildung Feuerwehr – Praxis: 
jeder Teilnehmer durchläuft (zumindest an den Lehrgängen der FÜBA in Eschbach) rund 40 verschiedene Einsatzszenarien aus den Bereichen Brandbekämpfung, Technische Hilfe und CBRN(E), bei denen er 3-4 Mal selbst als Gruppenführer tätig wird, in den anderen Fällen nimmt er als Teil der Gruppe auf verschiedenen Positionen teil. Zur praktischen Abschlussprüfung führt jeder Teilnehmer ein Szenario aus den genannten Bereichen und kommt somit insgesamt auf weitere 10 praktische Übungslagen, insgesamt rund 34 Stunden.

(Quellen: Curriculum Gruppenführerausbildung DRK-Landesverband Baden-Württemberg e.V., Stundenplan LG-GruFü 2024_1 füba Eschbach)

Es zeigt sich also, dass der Anteil der praktischen Ausbildung bei der Feuerwehr deutlich höher ist. Man wird gewissermaßen in hochintensiven Trainingsszenarien auf die Standardeinsatztaktiken, insbesondere auf die Anwendung des Befehlsschemas, Einsätze mit und ohne Bereitstellung, die vier Phasen der Erkundung, Anwendung von Kleinalgorithmen wie GAMS bei Gefahrgutunfällen, den Rettungsgrundsatz usw. „gedrillt“ und frischt gleichzeitig noch einmal das vorhandene Wissen aus der Grundausbildung und dem Truppführerlehrgang auf, auch wenn glücklicher- und dankenswerterweise nicht jedes Mal Schläuche gewickelt werden mussten und man beispielweise den Verteiler nur symbolisch ohne B-Schläuche gesetzt hat und die Atemschutzgeräteträger lediglich die Flaschen mitgeführt haben, ohne tatsächlich Masken zu tragen. Körperlich herausfordernd war es dennoch, wie oft ich in der letzten Woche die vierteilige Steckleiter aufgebaut habe und teilweise gestiegen bin, das wissen nur die Götter – oder die Lehrgangsleitung. Ich finde diese Art der praktischen Ausbildung grandios und habe eine derartig nachhaltige Methodik in meiner bisherigen „Karriere“ in der Gefahrenabwehr so lediglich bei der Bundeswehr erlebt.

Das gibt es in dieser Form bei der Ausbildung zum Gruppenführer im Katastrophenschutz nicht, hier beschränkt sich die praktische Ausbildung im Großen und Ganzen auf Planspielübungen und eine Erkundung.

Auch wenn der absolute Stundenanteil der theoretischen Ausbildung in beiden Fällen in etwa gleich ist, so wird im Katastrophenschutz ein größerer Anteil auf den theoretischen Unterbau für die Führung als solches verwendet – bei der Feuerwehr hingegen überwiegen fachliche Themen wie Brandbekämpfung, vorbeugender Brandschutz, Gefahrgut usw., jeweils auch unter besonderer Berücksichtigung von Einsatztaktik und Führung. Tatsächlich kam mir persönlich bei der Feuerwehr die theoretische Behandlung von Einsatzleitung und Einsatzvorbereitung, Einsatztaktik, Fahrzeugaufstellung, taktische Zeichen nach DV 102 usw. ein wenig zu kurz. Sicherlich kann man trefflich darüber diskutieren, ob man auf Gruppenführerebene bereits taktische Zeichen kennen muss – meine Meinung dazu ist eventuell durch den Katastrophenschutz und auch durch meinen Beruf vorbelastet, aber wie gesagt, für meinen Geschmack kam das zu kurz. Auch hätte ich mir eine wie auch immer geartete Form der Vorbereitung auf die theoretische Prüfung, z.B. durch theorieeinheitenabschließende Beispielfragen gewünscht. Die Tiefe der Fragen hat mich dann doch überrascht und es war völlig unklar, wie breit und mit welchen Schwerpunkten die auszuformulierenden Fragestellungen beantwortet werden sollten. Ich meine damit ausdrücklich nicht, dass die Prüfung unangemessen schwer war, sie war völlig machbar – wenn aber die beste Note im Lehrgang eine „zwei“ vor dem Komma hat, dann hat man sich als Lehrgangsteilnehmer offensichtlich nicht ausreichend bzw. falsch vorbereitet.

Positiv hervorzuheben ist bei der Feuerwehrausbildung die Fachlichkeit der Referenten. Während es beim DRK oftmals ehrenamtlich Tätige sind, die ihr Wissen aus eben diesen organisationsinternen Führungskräftequalifizierungen beziehen, waren alle Fachreferenten beruflich mit dem jeweiligen Thema befasst – Baurecht und vorbeugender Brandschutz mit einem Dozenten aus ebendiesem Bereich, Brandbekämpfung mit einem altgedienten Berufsfeuerwehrmann, Rechtslehre durch Kreisbrandmeister aus dem gehobenen Dienst usw. Ich will damit die Lehre im DRK nicht abqualifizieren – auch dort gibt es hervorragende Referenten, die fachliche Tiefe halte ich bei der Ausbildung der Feuerwehr aber grundsätzlich für höher.

Last but not least hat mich das Teilnehmerfeld des Lehrgangs überrascht. Leider habe ich es bei meiner Zeit im DRK gelegentlich erlebt, dass Leute auf diese Führungslehrgänge entsandt wurden, deren vorherrschende persönliche Qualifikation war, dass kein anderer da war, der es machen möchte oder die ihren Leitungskräften so lange auf die Nerven gingen, dass sie diese entsandt haben - getreu dem Motto "hoffentlich fallen sie in der Prüfung durch...". Es gibt in diesem Bereich Menschen, die viel Motivation für Führung mitbringen, woraus auch immer die sich begründet, die aber beispielsweise in der freien Wirtschaft eine derartige Position nicht erreichen würden, da ihnen das notwendige „Handwerkszeug“ und die Softskills fehlen. Das fängt in den Strukturen des eingetragenen Vereins beim BGB-Vorstand und den Leitungsämtern wie Bereitschaftsleitungen auf Orts-, Kreis- bis hin zur Landesebene an und geht bei den Führungskräften weiter, die von diesen Leitungsämtern eingesetzt werden. Und auch hier bitte ich das nicht als allgemeine Kritik am Katastrophenschutz bzw. am DRK zu verstehen, meine Erfahrungswerte hier sind anekdotisch auf Einzelfälle zu sehen, die mit Sicherheit NICHT die Breite des Verbandes widerspiegeln, aber eben doch häufiger vorkommen als es meiner persönlichen Erfahrung nach bei der Feuerwehr der Fall ist. 

Im Lehrgang vergangene Woche hatte knapp die Hälfte der Teilnehmer einen akademischen Hintergrund. Durch die Bank alle Teilnehmer sind seit mehreren Jahren aktiv, viele bereits inklusive Jugendfeuerwehr seit 20 oder mehr. Tatsächlich gehörte ich mit meinen 46 Jahren zwar zu den lebensältesten Teilnehmern und ohne es jetzt statistisch wirklich belastbar erhoben zu haben, war es aber tatsächlich nicht so, dass der Rest komplett zwischen 20 und 30 war, es gab durchaus einige Teilnehmer, die ebenfalls bereits um die 40 waren.

Mein persönliches Fazit:
 
Ich war früher ein Verfechter davon, dass Führungskräftequalifizierungen zwischen den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben gegenseitig zumindest teilweise Anerkennung finden sollten. Ich sehe das jetzt anders: Zu groß ist der fachspezifische Anteil für die Feuerwehr und durch einen „Add-on“-Lehrgang auf den Katastrophenschutzgruppenführer aufsetzend lassen sich diese nur schwer vermitteln. Ich denke, ein Gruppenführer aus dem Katastrophenschutz hat den größeren theoretischen Unterbau in Sachen Führungslehre, die praktische Erfahrung im Führen einer Gruppe kann er aber nur im Einsatzgeschehen sammeln, hier sind die Gruppenführer der Feuerwehr deutlich besser vorbereitet. Schlussendlich ist es also ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen.

Für mich war der Gruppenführerlehrgang in Eschbach bislang der Beste, den ich im „Blaulichtkontext“ besuchen und absolvieren durfte – herzlichen Dank an die Ausbilder und Teilnehmer!

Freitag, 1. März 2024

Internationaler Tag des Zivilschutzes

Schluss mit Lippenbekenntnissen!

Mein Fazit aus dem Tag des Zivilschutzes am 1. März.

1990 wurde dieser Tag von der Internationalen Zivilschutzorganisation (ICDO) ins Leben gerufen, um die Bedeutung des Katastrophenschutzes zu verdeutlichen und das Bewusstsein für Prävention und Selbstschutz zu stärken.

Der Tag des Zivilschutzes erinnert vor allem an eines: An die Notwendigkeit von Investitionen in den Bevölkerungsschutz.

Im Ahrtal wurden wir schmerzlich daran erinnert, wie wichtig eine gut durchdachte Vorbereitung und ein funktionierendes Warnsystem sind. Mit über 180 Toten wurde deutlich, dass bestehende Warnsysteme nicht ausreichen und dass konkrete Maßnahmen erforderlich sind.

Der Bevölkerungsschutz liegt in Deutschland in der Verantwortung der Länder und wird in der Regel von den Kommunen vor Ort umgesetzt. Bei großen Unglücken können die Länder auch Hilfe von anderen Bundesländern oder dem Bund anfordern. Die Erfahrungen aus der Unwetterkatastrophe haben gezeigt, dass es dringend notwendig ist, die bestehenden Warnsysteme zu verbessern und die Vorbereitungen im Bevölkerungsschutz zu intensivieren.

Die Einführung des Cell-Broadcast-Systems nach der Katastrophe war ein wichtiger Schritt, aber tatsächlich nur eine Lehre aus dem Geschehenen. Sehr viel mehr ist auch aufgrund der "Nicht-Zuständigkeit" des Bundes nicht geschehen und die Maßnahmen in den Ländern und Landkreisen unterliegen einer großen Streubreite.

Immer direkt nach einem solchen Unglück werden im Angesicht der medialen Aufmerksamkeit viele Forderungen laut, die nach etwas Grasbewuchs über der Sache unterm Strich dann Lippenbekenntnisse bleiben - schnell kommt man in der Politik wieder hinter vorgehaltener Hand zum Schluss: "There is no glory in prevention - mit Investitionen in den Bevölkerungsschutz gewinnt man keine Wählerstimmen."

Der Tag des Zivilschutzes soll daran erinnern, dass es eben nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben darf: Es ist an der Zeit, konkrete Schritte in Richtung einer resilienten Gesellschaft zu unternehmen. Investitionen in den Bevölkerungsschutz sind keine Option, sondern eine Notwendigkeit - hier eingespartes Geld kostet Menschenleben.

Eine bessere Ausstattung, modernisierte Warnsysteme, digitalisierte Prozesse, bessere Qualifizierung und effiziente Vorbereitungsmaßnahmen sind absolut notwendig, um zukünftige Herausforderungen besser zu bewältigen.