Sonntag, 18. Juli 2021

Die Flut und das politische Kapital

Ich bin genervt. Genervt von all den unterschiedlichen Strömungen, die jetzt versuchen, aus dieser Naturkatastrophe (politisches) Kapital zu schlagen. 

Auf der einen Seite wird natürlich - wie sollte es auch anders sein - grüne Politik als das Allheilmittel gegen den Klimawandel hingestellt. Wären die Grünen an der Macht, so die mehr oder weniger unterschwellige Botschaft, würden wir solche Bilder nicht sehen. FFF mit Luisa Neubauer „streiken“ wieder in 40 Städten und Gemeinden „aus Solidarität mit all denen, die so viel verloren haben“. Mal ganz davon abgesehen, dass per Definition nur „streiken“ kann, wer einer Tätigkeit nachgeht, wäre den Opfern in den Katastrophengebieten sicher durch Spenden u.ä. mehr geholfen, als durch demonstrierende… pardon, streikende Klimaaktivistinnen. 

Dann natürlich die unsägliche Debatte, ob nun der Klimawandel oder das Wetter für die Katastrophe verantwortlich ist. Ist es so schwer zu verstehen, dass die Ursachen natürlich in Bebauung von potenziell überflutungsgefärdeten Flächen, Eingriffen in die Natur, vor allem aber in einem Starkregenereignis liegen, wie es sie auch in der Vergangenheit immer wieder mal gab - dass die Häufung dieser extremen Wetterereignisse aber dem Klima geschuldet sind? Da hilft das „Aber 1343 gab es ein viel höheres Hochwasser-Mimimi“ nicht weiter, sofern man das Argumentationsniveau des Kindergartens verlassen hat. Aber machen wir uns nichts vor: Deutschlands Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen liegt bei 2%. Selbst wenn wir diese in den letzten Jahren auf 1,9% gesenkt hätten, hätte das auf das Weltklima nicht wirklich Auswirkungen gehabt. Das Weltklima wird nicht in Deutschland gerettet, die Hybris mancher verschlägt mir da schon den Atem. Und es ist ja bei weitem nicht so, dass sich die letzten Jahrzehnte nicht sehr viel zum positiven verändert hätte. Ich jedenfalls kann mich noch sehr gut an qualmende und rußende Schlote an Fabriken und schwarze Schwaden aus den Auspuffanlagen der Autos meiner Kindheit in den 80ern erinnern. Die haben wir ja nun wirklich nicht mehr. 

Auf der anderen Seite wird in AfD‘esker Manier ein Bild von geländegängigen Bundeswehr-Krankentransportwagen in tiefem Wasser mit der Fragestellung geteilt, wie man in Katastrophen mit Elektrofahrzeugen handlungsfähig bleiben könnte. Hier wird einfach durch Behauptung ein nichtexistentes Problem herbeigeredet. Unabhängig davon, wie man zur eMobilität steht, so ist doch völlig klar, dass Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und das Militär sicher auch noch mittelfristig mit Verbrennern arbeiten werden. Es wird auch nach 2035 sicher noch Ausnahmen bei der Zulassung von Verbrennern geben - und die BOS werden mit dem Gros der Einsatzfahrzeuge sicher zu diesen Ausnahmen gehören, da Kraftstoff (evtl. bis dahin Biokraftstoffe, eFuels o.ä.) nunmal leichter und effizienter in infrastrukturgeschädigte Gebiete transportiert werden kann als Strom für tausende von Fahrzeugen - zumindest nach dem heutigen Stand der Technik. Aber wie gesagt, das plumpe Grünenbashing mit diesem Sharepic ist anlasslos und nicht sonderlich clever. 

Zum Thema „politisches Ausschlachten“ und Gewichtung politischer Themen habe ich eine durchaus bissige Satire von Kurt Brand gelesen:

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Finden Sie es auch so unerträglich, dass die alten, weißen Männer aus dem toxisch-fossilen Patriarchat sich auf solchen Fotos immer in den Vordergrund drängeln müssen? Sind Frauen, Ausländer und LGBTQIA in der Feuerwehr und beim Technischen Hilfswerk überhaupt angemessen repräsentiert? Oder brauchen wir Quoten? Sind Fälle von Rettungs-Rassismus aufgetreten bzw. werden diese überhaupt systematisch erfasst? Müsste der Fuhrpark dieser Hilfsorganisationen nicht dringend auf Elektroantriebe umgestellt werden, um eine Belastung von Rettern und Opfern durch Feinstaub- und CO2-Emissionen zu vermeiden? Wo ist eigentlich die Deutsche Umwelthilfe, wenn mal sie mal braucht? 

Arbeiten die Rettungsteams auch agil und sinnstiftend gemäß den New Work-Visionen des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann? Könnte man einen Teil der Rettungsarbeiten nicht vom Home Office aus erledigen? Was ist mit dem Gender Pay Gap? Sind Retter und Opfer alle zweifach geimpft und hätte eine DSGVO-konforme Flutwellen-Warn-App nicht das Schlimmste verhindern können oder sogar müssen? Sollten die Rettungsmaßnahmen nicht durch die EU-Kommission koordiniert werden, um nationale Alleingänge zu verhindern? Wären die Rettungsaktionen mit Hilfe von Flugtaxis nicht viel effizienter durchzuführen? Werden die Opfer und Retter vegan, gesund und klimaschonend ernährt? Und könnte man in der Berichterstattung über solche Rückfälle in das "old thinking" nicht wenigstens gendern, um das Ganze aus Sicht der Woke-Community erträglicher zu machen? 

<Sarkasmus aus>

P.S: Zahlreiche anerkannte Organisationen haben Spendenkonten für die Opfer des Hochwassers eingerichtet. Eine Auswahl finden Sie hier: https://lnkd.in/d8hXskr .

#RealWorldProblems #FirstWorldProblems

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Quelle: https://www.linkedin.com/posts/kurtbrand_realworldproblems-firstworldproblems-activity-6822387154388307968-gQf7

Kurt Brand wird vorgeworfen, dass er als alter, weißer Mann unter dem Deckmantel des Sarkasmus diese Tragödie nutzen würde, um mal so richtig mit allem aufzuräumen, was ihm an gesellschaftlichen Aktivitäten für Minderheiten und zum Abwenden der Klimakatastrophe nicht passt. Ich persönlich weiß nicht, ob das stimmt - ich für meinen Teil sehe, ohne ihm in jedem Punkt zuzustimmen, hier vor allem eine pointierte Kritik gegenüber all denjenigen, die versuchen, diese Katastrophe zu instrumentalisieren, gleich in welcher Richtung und den Versuch, den Fokus auf das derzeitig Wesentliche zu richten. 

Können wir also derzeit einfach mal alle Nebenkriegsschauplätze hintenan stellen, die Spitzenpolitiker bitte ihre Gummistiefel im Schrank sowie ihre Hintern in ihren Ministerien und den Wahlkampf ruhen lassen und uns aufs Helfen konzentrieren?

Danke.