Samstag, 21. April 2018

Neulich beim Zoll

Gestern musste ich beim Zoll vorreiten. Kann passieren, wenn man direkt beim Hersteller in Asien bestellt - in diesem Fall ging es um ein Paar Schuhe (unter der Zollgrenze). Ich trat an den Schalter und als die Beamtin 15 Minuten vor Feierabend an einem Freitagnachmittag auf dem Papierkram „China“ las, erntete ich unter hochgezogenen Augenbrauen ein missbilligendes: 

„Ist das Ihr Ernst?“

Ich: „Ja, durchaus. Ich würde gerne das Päckchen holen.“

Sie: „Sie wissen aber schon, dass die da drüben in China mit giftigen Stoffen arbeiten?“

Ich: „Ja, das kann schon sein, aber ich bestelle häufig direkt bei den Herstellern. Die gleichen Modelle findet man sicher auch hier im Laden, ich umgehe die Marge der großen Schuhketten. Ich wollte mir die Schuhe einmal ansehen, sie sahen auf der Webseite ähnlich aus wie die Salomon, die ich sonst kaufe und ich kann mir vorstellen, dass die im gleichen Werk produziert werden.“

Sie: „Aha, Produktpiraterie!“

Ich: „Nein, ähnlich sagte ich, nicht gleich. Die Sohlen haben das gleiche Profil. Und es steht nicht Salomon darauf.“

Sie: „Aber da wird unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert, sonst könnten sie ja nicht so billig sein!“

Ich: „Vermutlich stammt Ihre Bluse auch aus Fernost und hat einen Material- und Produktionswert von unter einem Euro...“

Sie: „Aber das kann sehr gefährlich sein. Wissen Sie, dass man von chinesischen Produkten unfruchtbar werden kann?“

Ich (allmählich leicht genervt): „Danke, dass Sie sich um mich Sorgen, aber meine Familienplanung ist abgeschlossen.“

Sie: „Und die Ihrer Kinder? Das ist unverantwortlich! Sie müssen ja selber wissen, was sie tun. Wissen Sie, wir machen hier ja nicht nur Zoll sondern auch Produktsicherheitsberatung!“

Ich: „Ach?“

Sie, den ironischen Unterton überhörend kommt so richtig in Fahrt: „Ja! Neulich hatten wir in chinesischem Billigschmuck radiokative Abfälle. RADIO AKTIV! Und gestern sind in einem anderen Zollamt zwei Geräte mit Akkus explodiert! EX PLO DIERT! Und mir ist ein Fall bekannt, wo die Feuerwehr nach einem Hausbrand herausfand, dass eine LED-Lampe für den Brand verantwortlich war. Eine CHINESISCHE LED-Lampe! Und glauben Sie, dass die Versicherung was bezahlt hat? Nix hat die bezahlt!“

Ich: „Wollen wir dann mal schauen, ob in meinen Schuhen Akkus oder LEDs sind?“

Sie: „Sie nehmen mich nicht sonderlich ernst, oder?“

Ich: „Merkt man‘s?“

Sie: „Ich muss doch schon sehr bitten!“

Ich: „Ich auch. Ihre Botschaft ist angekommen. Ich hätte jetzt gerne mein Paket.“

Sie: „Ich wollte es ja nur gesagt haben... Aber bitte, kaufen Sie niemals, wirklich niemals Spielzeug für Ihre Kinder in China. Das ist alles giftig!“

Ich verkniff mir jetzt dann jede weitere Antwort. 

Nach der Wareninspektion und dem Papierkram zog ich von dannen. Es lag unter der Zollgrenze. Ich habe nichts bezahlt - aber eine Beamtin war sicher ingesamt eine halbe Stunde mit diesem Vorgang beschäftigt. Steuerfinanziert, versteht sich. Da frage ich mich dann doch, ob wir nicht falsche Prioritäten setzen...

Zum Thema fällt mir ansonsten nur noch Erich Kästner ein:

Wird's besser? Wird's schlimmer?
fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich:
Leben ist immer lebensgefährlich!

Freitag, 13. April 2018

#KeepYourFilterbubbleClean

Eine seit kurzem hier am Ort ansässige Ärztin hat sich neulich in ihrem privaten Facebookprofil über eine Online-Bewertung eines türkischen Privatversicherten echauffiert. Er beschwerte sich über lange Wartezeiten. Unflätig, keine Frage, unterm Strich aber ein oft vorgefundenes Verhalten in Bewertungsportalen - insbesondere von Privatpatienten, aber es ging Frau Dr. mehr um die Tatsache, dass es ein Türke war denn um die schlechte Bewertung als solche. Insbesondere die Kommentare ihrer Facebookbubble sprachen Bände - auch hier ging es weniger um eine Zweiklassenmedizin oder um die oftmals bei Privatpatienten vorhandene Anspruchshaltung, es ging vorrangig darum, dass ein Türke hier solche unverschämten Forderungen stellt. Geschenkt - derartige Entgleisungen ist man auf diesem Profil gewohnt.

Nachdem unter einem weiteren geteilten Artikel, indem es um Übergriffe auf Pflegepersonal durch Flüchtlinge ging, die Kommentarspalte mit Pauschalisierungen wie Dreckspack, sollte man sterben lassen und ähnlichem AfD‘esken Stammtischinhalt eskalierte, merkte ich an, dass sich hier ja eine illustre Kommentargesellschaft zusammengefunden habe.

Nun, das war mein letzter Kommentar bei Frau Dr. Vorhin wollte ich sie auf eine Gesprächsrunde zur hausärztlichen Versorgung auf dem Land und der schwierigen Nachfolgesuche aufmerksam machen - siehe da, wir sind nicht mehr „befreundet“. Ein Zustand, der mir jetzt nicht zwingend schlaflose Nächte bereiten wird.

Aber einen Kommentar ist es mir dennoch wert, schlussendlich zeigt es doch die in Facebook-Profilen oder auch in Facebookgruppen oftmals vorherrschende mangelhafte Konflikt- und Diskussionskultur, wenn man sich die eigene Umwelt doch so zurechtschnitzen kann, dass sie den eigenen Vorstellungen entspricht. Diskussionen werden im Keim erstickt, abweichende Meinungen oder unbequeme Kommentatoren werden gelöscht, blockiert usw. Kein Wunder fühlen sich so viele in ihrer Meinung bestätigt, lassen sie doch nur Bestätigungen der eigenen Meinung zu.

Natürlich ist das als Inhaber des „virtuellen Hausrechts“ ihr gutes Recht, das ich bei justitiablen Kommentaren ebenso ausübe - aber ist das unterhalb dieser Schwelle wirklich klug? Umgebe ich mich nur mit Menschen, die ausschließlich über negative Erfahrungen mit „Radfahrern“ (ersetze Radfahrer durch eine beliebige andere Gruppe) berichten, für die Radfahrer das größte Übel sind und Politiker grundsätzlich „Volksfahrräder“ sind, dann werden meine diffusen Ängste sicher nicht weniger und ich fühle mich zunehmend bedroht. Umgekehrt gilt das natürlich ebenso - umgebe ich mich nur mit Fahrradbefürwortern, male ich mir eine rosarote Fahrradwelt, die nur bedingt etwas mit der Realität zu tun hat.

Man muss auch abweichende Fahrradmeinungen aushalten, finde ich. Man muss sich ein Gesamtbild erarbeiten, sich reflektiert und differenziert mit Fahrrädern auseinandersetzen und das ganze so objektiv wie möglich bewerten.

#BewareOfTheFilterbubble