Montag, 24. Oktober 2011

S21 - The neverending story


Verkehrte Welt. Befürworter des Projekts müssen mit "nein" stimmen, Gegner mit "ja". Aber noch mal von vorne, was ist eigentlich passiert? Die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg reichte ein Gesetz ein. Soweit nichts ungewöhnliches, so etwas machen Regierungen bekanntlich von Zeit zu Zeit. Das wirklich bemerkenswerte an dem "Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S21-Kündigungsgesetz)" war, dass es von den einbringenden Parteien selbst abgelehnt wurde. Auf diese Weise öffnete sich das Hintertürchen zu einer Volksabstimmung, die ansonsten verfassungsrechtlich nicht möglich gewesen wäre. Inwieweit dieses Vorgehen nun tatsächlich verfassungskonform ist, prüft derzeit der Staatsgerichtshof nach einer entsprechenden Klage des Freiburger Universitätsprofessors Manfred Löwisch. 

Nun kann der Bürger also bestimmen. Nicht etwa, ob S21 realisiert werden soll, sondern ob das Land vertragsbrüchig werden darf. Wer mit "ja" stimmt, legitimiert die Landesregierung dazu, die Verträge mit der Deutschen Bahn aufzukündigen und unter Umständen vertragsstrafenpflichtig zu werden. Wer mit "nein" stimmt, möchte erreichen, dass das Land sich an die geschlossenen Verträge hält.

Oder einfacher ausgedrückt:



Winfried Mack (CDU) formuliert das folgendermaßen: Die Frage, die den Bürgern gestellt werde, sei "stark tendenziös und missverständlich. dieser Stimmzettel führt den Abstimmungsbürger hinters Licht."

Inwieweit diese unterm Strich doch recht missverständliche Formulierung einer der Seiten hilft, bleibt abzuwarten. Während viele Befürworter befürchten, dass einige aus Unkenntnis der Sachlage "ja" ankreuzen, kann das umgekehrt natürlich genauso gelten - viele Gegner könnten mit "nein" abstimmen. Harren wir also der Dinge, die da kommen mögen.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Stay hungry, stay foolish

Steve Jobs. Genie, Erfinder, Visionär. Heute ist er gestorben. Unvergessen werden seine Pressekonferenzen bleiben, bei denen tausende Journalisten stets auf den berühmten Ausspruch "There is one more thing" warteten, mit denen er bahnbrechende Innovationen präsentierte. Er prägte mit seinen Erfindungen und Entwicklungen eine ganze Generation. Kritiker der "i"-Produkte wie iPod, iPhone, iPad usw. sprechen von überteuerten Produkten. Es gäbe bessere Produkte, moderne Technik zu günstigeren Preisen. Dem vermag ich objektiv nicht zu widersprechen, aber Steve Jobs war stets der Vorreiter und die Konkurrenz zog lediglich nach. Es sind seine Visionen, auf denen HTC, Samsung usw. aufbauen. Steve Jobs war ein Marketing-Genie. Er schaffte es, die Produkte mit dem angebissenen Apfel zu kultigen Lifestyle-Objekten zu erheben und ich gestehe freimütig, dass ich dieser Faszination ebenso erlegen bin. Das iPhone ist für mich als praktischer Alltagshelfer in allen Lebenslagen nicht mehr weg zu denken. Ich hoffe, dass Apple auch ohne Jobs diesen Erwartungen gerecht werden kann. Das sprichwörtliche Erbe ist allerdings schwer.

Für mich ist Steve Jobs nach wie vor eine Inspiration. Nicht aufgrund der Apple-Produkte - auch wenn es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, von seinem Tod auf dem iPhone zu lesen, das einen morgens geweckt hat - sondern aufgrund seiner Lebenseinstellung, seinem unermüdlichen Tatendrang und den Visionen, die er gelebt hat.

Unvergessen wird seine Rede vor der Stanford University im Jahr 2005 bleiben. Das ist keine Rede, bei der man gelangweilt und höflich zuhörte. Es ist eine Rede, die einen im tiefsten Inneren berührt - heute mehr denn je.



Es ist mir eine Ehre, heute bei Ihnen auf der Abschlussfeier einer der besten Universitäten der Welt sprechen zu dürfen. Ich habe keinen College-Abschluss. Um die Wahrheit zu sagen, ich war einem College-Abschluss noch nie so nahe wie heute auf dieser Feier. Ich möchte Ihnen drei Geschichten aus meinem Leben erzählen. Nur drei Geschichten:


Die erste Geschichte handelt von der Verbindung der Punkte. Ich verließ das Reed College schon nach den ersten sechs Monaten, blieb aber in der Gegend und besuchte die Schule weitere 18 Monate eher sporadisch, bevor ich sie endgültig verließ. Warum tat ich das?


Die Geschichte begann schon vor meiner Geburt. Meine biologische Mutter war eine junge, unverheiratete College-Absolventin. Deshalb beschloss sie, mich zur Adoption freizugeben. Sie war entschieden der Ansicht, ich sollte von Leuten adoptiert werden, die einen College-Abschluss besaßen, und so traf man alle Vorbereitungen, damit ich bei meiner Geburt von einem Rechtsanwalt und seiner Frau adoptiert wurde. Doch in letzter Minute fiel ihnen ein, dass sie doch lieber ein Mädchen wollten. So kam es, dass meine Eltern, die auf einer Warteliste standen, mitten in der Nacht einen Anruf erhielten. Man sagte ihnen: «Wir haben hier ganz unerwartet einen neugeborenen Jungen. Wollen Sie ihn haben?» Meine Eltern antworteten: «Natürlich.» Später erfuhr meine biologische Mutter, dass meine Mutter keinen College- und mein Vater nicht einmal einen Highschool-Abschluss hatte. Darum weigerte sie sich, die Adoptionsunterlagen zu unterzeichnen. Erst einige Monate später willigte sie ein, nachdem meine Eltern ihr versprochen hatten, dass ich eines Tages das College besuchen würde.
Und siebzehn Jahre später ging ich tatsächlich aufs College. Doch in meiner Naivität wählte ich eines, das fast so teuer war wie Stanford, so dass meine Ausbildung die gesamten Ersparnisse meiner aus der Arbeiterschicht stammenden Eltern verschlang. Nach sechs Monaten erkannte ich, welchen Wert das hatte. Ich hatte keine Idee, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, und keine Idee, wie das College mir helfen konnte, das herauszufinden. Und dafür gab ich das gesamte Geld aus, das meine Eltern in ihrem ganzen Leben angespart hatten. Darum beschloss ich, das College zu verlassen, und vertraute darauf, dass sich schon alles finden werde. Im Rückblick war es eine der besten Entscheidungen, die ich jemals getroffen habe. Denn nach meinem Abgang wählte ich nur noch solche Kurse, die mir interessant erschienen.
Das war keineswegs romantisch. Ich hatte kein Zimmer im Wohnheim und schlief deshalb im Zimmer eines Freundes auf dem Boden. Ich sammelte Colaflaschen, um mir von den 5 Cent Pfand Lebensmittel zu kaufen. Und jeden Sonntagabend ging ich zu Fuss zehn Kilometer quer durch die Stadt, um im Hare-Krishna-Tempel wenigstens eine gute Mahlzeit in der Woche zu erhalten. Viele Dinge, auf die ich stieß, weil ich meiner Neugier und meiner Intuition folgte, erwiesen sich später als unbezahlbar.
Das Reed College bot damals die im ganzen Land wohl beste Einführung in die Kalligrafie an. Auf dem gesamten Campus waren alle Plakate und die Aufschriften auf jeder Schublade wunderschön von Hand kalligrafiert. Da ich abgegangen war und nicht die normalen Kurse belegen musste, beschloss ich, den Kalligrafiekurs zu besuchen und zu lernen, wie man das macht. Ich lernte, welche Schriftarten es gibt, wie die Abstände zwischen den verschiedenen Buchstabenkombinationen zu wählen sind und was gute Typografie ausmacht. Es war eine wunderschöne, historisch gewachsene und künstlerisch subtile Arbeit, die sich wissenschaftlich gar nicht fassen lässt und die mich faszinierte.
Es war nicht zu erwarten, dass diese Dinge irgendwann einmal in meinem Leben praktische Bedeutung erlangen könnten. Doch als wir zehn Jahre später den ersten Macintosh-Computer entwarfen, kam mir all das wieder in den Sinn. Und die ganze Erfahrung floss in den Mac ein. Der Macintosh war der erste Computer mit einer schönen Typografie. Hätte ich auf dem College nicht diesen Kurs besucht, wäre der Mac nie mit mehreren Schriftarten oder proportionalen Abständen zwischen den Buchstaben ausgestattet worden. Und da Windows den Mac einfach kopierte, hätte wahrscheinlich bis heute kein Personalcomputer solche Schriften. Hätte ich das College nicht verlassen, wäre ich nicht auf die wunderbare Typografie gestossen, die unsere Computer heute auszeichnet. Natürlich war es während der Zeit am College unmöglich, die Punkte im Blick auf die Zukunft miteinander zu verbinden. Aber im Rückblick zehn Jahre später war das alles sehr klar.
Sie können die Punkte nicht in der Vorausschau, wohl aber im Rückblick verbinden. Also müssen Sie darauf vertrauen, dass die Punkte sich irgendwann in Ihrer Zukunft verbinden. Sie müssen auf irgendetwas vertrauen – auf Ihren Bauch, das Schicksal, das Leben, das Karma oder sonst etwas. Dieses Vorgehen hat mein Leben entscheidend beeinflusst.
Meine zweite Geschichte handelt von Liebe und Verlust. Ich war erfolgreich. Schon früh in meinem Leben hatte ich herausgefunden, was mir Spaß machte. Als ich zwanzig war, gründeten Woz und ich in der Garage meiner Eltern Apple. Wir arbeiteten hart, und innerhalb von zehn Jahren wurde aus unserer Garagenfirma ein Großunternehmen mit zwei Milliarden Dollar Umsatz und über 4000 Angestellten. Wir hatten gerade unsere schönste Schöpfung, den Macintosh, vorgestellt, und ich war gerade dreißig geworden.
Da wurde ich entlassen. Wie kann jemand von einer Firma entlassen werden, die er selbst gegründet hat? Nun, als Apple grösser wurde, stellte ich jemanden ein, von dem ich glaubte, er besitze die nötigen Fähigkeiten, um das Unternehmen gemeinsam mit mir zu führen. Doch mit der Zeit entwickelten wir unterschiedliche Visionen, und es kam zum Bruch. In dieser Situation stellte der Aufsichtsrat sich auf seine Seite.
Ein paar Monate lang wusste ich wirklich nicht, wie es weitergehen sollte. Ich hatte das Gefühl, gegenüber der vorangegangenen Unternehmergeneration versagt zu haben – ich hätte den Stab fallen lassen, den sie an mich weitergegeben hatten. Es war ein sehr öffentliches Scheitern gewesen, und ich dachte sogar daran, aus dem Silicon Valley zu flüchten. Aber dann dämmerte mir etwas. Ich liebte meine Arbeit immer noch. Und so beschloss ich, von vorn anzufangen.
Damals sah ich es noch nicht, aber bald zeigte sich, dass mir gar nichts Besseres hätte passieren können als der Rauswurf bei Apple. An die Stelle der Schwere des Erfolgs trat die Leichtigkeit des Neuanfangs. Die Dinge schienen nicht mehr so festgefügt. Ich war frei für den Beginn einer der kreativsten Phasen meines Lebens.
Innerhalb der nächsten fünf Jahre baute ich eine Firma namens NeXT und eine weitere namens Pixar auf und verliebte mich in eine wunderbare Frau, die später meine Ehefrau wurde. Pixar schuf den ersten computeranimierten Spielfilm der Welt, «Toy Story», und ist heute das erfolgreichste Trickfilmstudio der Welt. In einer bemerkenswerten Wendung der Ereignisse kaufte Apple später dann NeXt, und ich kehrte zu Apple zurück. Die von NeXT entwickelte Technologie steht im Mittelpunkt der gegenwärtigen Renaissance von Apple. Und gemeinsam mit Laurene habe ich eine wunderbare Familie.
Manchmal wirft das Leben Ihnen einen Ziegelstein an den Kopf. Verlieren Sie nicht die Zuversicht! Ich bin mir sicher, das Einzige, was mich damals aufrechterhielt, war die Liebe zu meiner Arbeit. Sie müssen herausfinden, was Sie lieben. Das gilt für die Arbeit ebenso wie für geliebte Menschen. Die Arbeit wird einen großen Teil Ihres Lebens einnehmen, und Sie werden nur gute Arbeit leisten können, wenn Sie ihre Arbeit lieben. Also suchen Sie, bis Sie finden! Lassen Sie nie nach!
Meine dritte Geschichte handelt vom Tod. Mit siebzehn Jahren las ich einen Spruch, der etwa folgendermassen lautete: «Wenn du jeden Tag so lebst, als wäre es dein letzter, wirst du ganz sicher eines Tages recht haben.» So schaue ich nun seit dreiunddreißig Jahren jeden Morgen in den Spiegel und frage mich: «Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich dann tun, was ich mir für heute vorgenommen habe?» Und wenn die Antwort allzu oft hintereinander Nein lautet, weiss ich, dass ich etwas ändern muss.
An den möglicherweise nahen Tod zu denken, ist nach meiner Erfahrung das stärkste Hilfsmittel, wenn es darum geht, wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Weil nahezu alles, alle äussere Erwartung, aller Stolz, alle Angst vor Schwierigkeiten oder Scheitern, angesichts des Todes von einem abfallen, so dass nur das wirklich Wichtige bleibt. Wir sind immer nackt. Es gibt keinen Grund, nicht der Stimme des Herzens zu folgen.
Vor gut einem Jahr wurde bei mir Krebs festgestellt. Die Ärzte sagten mir, es handle sich mit grösster Wahrscheinlichkeit um einen unbehandelbaren Krebs. Ich solle mich darauf einstellen, nur noch drei bis sechs Monate zu leben. Ich lebte den ganzen Tag mit dieser Diagnose. Gegen Abend wurde eine Biopsie durchgeführt. Man hatte mich sediert, aber meine Frau, die dabei war, erzählte mir, die Ärzte hätte Tränen in den Augen gehabt, als sie unter dem Mikroskop erkannten, dass es sich um eine sehr seltene Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs handelte, die operiert werden kann. Die Operation wurde durchgeführt, und jetzt bin ich wieder gesund.
Der Tod ist unser aller Schicksal. Und das ist gut so, denn der Tod ist wahrscheinlich eine der besten Erfindungen des Lebens. Er sorgt für die Veränderung des Lebens. Ihre Zeit ist begrenzt! Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit damit, dass Sie das Leben eines anderen leben. Lassen Sie sich nicht von Dogmen einengen. Dogmen sind das Ergebnis des Denkens anderer Menschen. Lassen Sie nicht zu, dass der Lärm fremder Meinungen Ihre eigene innere Stimme übertönt. Und vor allem haben Sie Mut, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen.
In meiner Jugend gab es eine wunderbare Publikation mit dem Titel «The Whole Earth Catalog», die zu den Bibeln meiner Generation gehörte. Herausgeber war Stewart Brand, der dem Unternehmen mit seiner poetischen Ader Leben einhauchte. Es war gewissermassen Google in Buchform, 35 Jahre vor der Entstehung von Google – ein idealistisches Unternehmen voller grosser Ideen und nützlicher Hilfsmittel. Stewart und sein Team brachten mehrere Ausgaben des Whole Earth Catalog heraus, und als die Zeit gekommen war, Mitte der Siebziger, stellten sie das Unternehmen ein. Auf dem Rückenumschlag der letzten Ausgabe befand sich die Fotografie einer Landstrasse am frühen Morgen, darunter standen die Worte: «Bleibt hungrig! Bleibt verrückt!»
Genau das habe ich mir immer für mich selbst gewünscht. Und nun, nach Ihrem College-Abschluss, wünsche ich Ihnen genau dasselbe.
Bleiben Sie hungrig! Bleiben Sie verrückt!