Dienstag, 9. Januar 2024

Die Bauernproteste polarisieren die Debatte in den sozialen Medien


Für die einen sind die Landwirte das Sinnbild der ewiggestrigen Raffzähne, die ja schließlich genug Kohle verdienen und auch endlich mal ihren Teil dazu beitragen sollen (zu was auch immer...) und die mit Rechten paktieren. Ich für meinen Teil halte es für einen Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die AfD, die bekanntlich sämtliche Agrarsubventionen streichen wollen, sich hier nun als der Anwalt der Landwirte und des Mittelstands aufspielen. Ausgerechnet! Die Bauernverbände distanzieren sich größtenteils von AfD, Querdenkern und sonstigen Schwurblern und das finde ich großartig.

Dann werden Vergleiche mit den Klimaklebern bemüht, die gerne die Tatsache verschweigen, dass der überwiegende Anteil der Aktionen gestern angemeldet waren. Selbst die Polizei hat vielerorts bestätigt, dass es friedlich und gesittet lief. Ausnahmen mögen hier die Regel bestätigen, aber das Fehlverhalten weniger sollte hier ebensowenig wie bei anderen Gruppierungen das Bild über die Allgemeinheit prägen.

Für noch, man mag mir das verzeihen, dämlicher halte ich es, Vergleiche mit der Pflege, der Medizin, den Zuständen in den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben als Rechtfertigung zu nehmen, dass die Bauern sich mal nicht so anstellen sollen. Whataboutismus und nur der Versuch, einen Missstand durch einen anderen zu relativieren, finde ich.

In meinen Augen geht die Debatte am wichtigsten Punkt vorbei:

Es wird immer wieder angemerkt, dass Großkonzerne und Einzelhandel den Landwirten die Preise aufdiktieren. Das ist nur teilweise richtig - die Preisbildung am Markt wird eben auch durch günstigen Import bestimmt.

Die eigentliche Frage ist doch nicht, ob ein Bauer jetzt pro kg Weizen angeblich nur einen Cent mehr erwirtschaften muss sondern ob wir es zulassen wollen, dass wir uns in einem weiteren Bereich der kritischen Infrastruktur, dem wichtigsten Bereich überhaupt, den "Nahrungsmitteln" alleinig vom Import abhängig machen wollen, wie es beispielsweise bei Medikamenten mit den bekannten Folgen bereits geschehen ist.

Ich für meinen Teil bin der Ansicht, dass die Agrarwirtschaft ein bedeutender Teil der Daseinsvorsorge ist und der Staat insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Lage mit Krieg in der Ukraine, zunehmenden Spannungen mit Russland usw. die Verpflichtung hat, ein Mindestmaß an Versorgungsautarkie sicherzustellen. Und wenn das angesichts des internationalen Preisdrucks mit Subventionen geschehen muss, dann sei's drum, dann soll und muss es so sein.

Hier nun zu fordern, dass die Landwirte eben auch den Gürtel enger schnallen sollen und ihren Teil zum Sparen beizutragen zu haben, ist extrem kurzsichtig und schlussendlich nur von einer gewissen faktenbefreiten Neid-Ideologie getragen. 

Diese Debatte negiert die Tatsachen, dass die deutsche Landwirtschaft durch billigere Produktion im Ausland deutlich weniger wettbewerbsfähig ist und das "Höfesterben" bereits jetzt in vollem Gange ist. Ausgelöst durch immer tiefer in den operativen Betrieb der Höfe eingreifenden Gesetzgebungen und Regularien wie die Stilllegung von 4% der Ackerflächen je Betrieb, viele eher ideologisch denn praktisch orientierten neuen Standards in Tierhaltung und Bepflanzung ohne entsprechenden Zuschuss, neue Düngeverordnungen und noch vielem mehr, was in den letzten Jahren wohlgemerkt durch alle Regierungskoalitionen vorangetrieben wurde. 

Sowenig ich Fan der Politik SPD, Grünen und auch der FDP bin: hier nun alleinig der Ampel "die Schuld" zu geben, geht auch an der Wahrheit vorbei, die jüngsten Subventionskürzungen wurden von allen Parteien mitgetragen und auch die CDU hat in den letzten Regierungsverantwortungen ausreichend zum Höfesterben beigetragen.

Insofern: Ich verstehe den Unmut der Landwirtschaft.

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