Dienstag, 30. Oktober 2012

Für eine "Kultur des Erbarmens"


Heute ist der Todestag von Henri Dunant. Er gilt als der Gründungsvater des „Roten Kreuzes“. Dank den vielen Helferinnen und Helfern. Sie stehen für eine „Kultur des Erbarmens“.

Das „Internationale Rote Kreuz“ gedenkt heute seines Gründers Henri Dunant, der am 30. Oktober 1910 gestorben ist. Der Schweizer Geschäftsmann war 1859 bei einer Italienreise unversehens in die Schlacht von Solferino hineingeraten und sah mit Entsetzen 40.000 Gefallene, Sterbende und Verwundete auf dem Schlachtfeld liegen. Todesmutig und ohne irgend ein Mandat organisierte Henri Dunant noch am selben Tag in den umliegenden Dörfern erste Hilfe für die Verletzten. Sein später verfasstes Buch über diese Ereignisse hat die damalige Weltöffentlichkeit erschüttert. So kam es zur Gründung eines „Internationalen Komitees vom Roten Kreuz“. Die „Genfer Konvention“ aus dem Jahre 1864, immer wieder aktualisiert, garantiert seitdem den neutralen Schutz des „Roten Kreuzes“ in bewaffneten Konflikten.

Auch das „Deutsche Rote Kreuz“ sieht in Henri Dunant seinen Gründungsvater. Das DRK, einer der größten Wohlfahrtsverbände im Land, bewältigt ein immenses Aufgabenspektrum. Es reicht vom Katastrophenschutz über das Sanitäts- und Rettungswesen bis hin zur praktischen Sozialarbeit.

Der heutige Gedenktag könnte Anlass sein, den Helferinnen und Helfern aller Rettungs- und Wohlfahrtsorganisationen für ihren Dienst zudanken. Ich bewundere die Profis auf den Rettungsfahrzeugen, denen ich als Notfallseelsorger oft begegnet bin. Tag und Nacht sehen sie sich mit Krankheit und Tod konfrontiert. Das will auch seelisch ausgehalten sein.

Dank gebührt aber auch den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Sie opfern Kraft und Zeit im Sanitätsdienst, werkeln in Kleiderstuben und Möbelhallen, engagieren sich im Katastrophenschutz, in Pflege und Sozialarbeit.

Hoffentlich gelingt es uns, auch weiterhin junge Menschen für solche Samariterdienste zu begeistern. Da genügt es allerdings nicht, nurden Button „gefällt mir“ am Handy zu drücken. Hier gilt es, Kraft und Zeit für das Wohlergehen anderer zu investieren. Nicht umsonst, denn da kommt auch für einen selber viel rüber.
In einer Zeit, in der sich alles rechnen und rentieren muss, brauchen wir mehr denn je eine „Kultur des Erbarmens“. Die professionellen Organisationen schaffen das alleine nicht, die müssen ja selber spitz kalkulieren und „schwarze Zahlen“ abliefern.

Eine „Kultur des Erbarmens“ müsste in den Herzen Vieler verankert sein, damit Menschen Zuwendung und Hilfe, Nähe und Liebe erfahren.


Auch wenn ich sicher nicht zu den größten Fans kirchlicher Würdenträger gehöre, so spricht mir dieser katholische Geistliche doch aus dem Herzen. Insbesondere seine Kritik an der "gefällt mir"-Mentalität gefällt mir! Wie leicht ist es doch, gesellschaftliche Missstände anzuprangern, sich rein virtuell für Tiere, für Kinder, für Menschen in Not einzusetzen. Einfach mit einem Mausklick... Bequem von der Couch aus, mit dem Smartphone in der Hand, am Notebook, am PC erspart man sich auf diese Art und Weise doch tatsächliche ehrenamtliche Betätigung und fühlt sich trotzdem gut dabei.

Ehrenamt... Was bedeutet dieser alte Begriff heute noch? Ist ehrenamtliche Arbeit überhaupt noch zeitgemäß?

In meinen Augen ist das Ehrenamt heute wichtiger denn je. Sicherlich ist der klassische Ehrenamtliche, wie es ihn vor 30 Jahren noch gab, der aus purem Altruismus handelt, heute so gut wie ausgestorben. Es liegt an den Organisationen, ehrenamtliche Arbeit attraktiv zu gestalten, denn die Frage "Was hab ich denn davon?" gehört zum heutigen gesellschaftlichen Selbstverständnis. Auch darf bezweifelt werden, ob es den klassischen Altruismus in der Form überhaupt jemals gab - und wenn es nur "das gute Gefühl, gebraucht zu werden" ist, profitiert man selbst davon.

Ich möchte als Beispiel für ehrenamtliche Arbeit die freiwillige Feuerwehr oder die Arbeit in einer Hilfsorganisation wie dem DRK, den Johanniter, dem ASB usw. nehmen.

Was motiviert heute jemanden, zu einer solchen"Blaulichtorganisation" zu gehen? Zum einen ist es mit Sicherheit das damit verbundene Sozialprestige. Klar, einer solchen Tätigkeit wird oftmals Respekt entgegen gebracht. Zum anderen profitieren die ehrenamtlichen Helfer durch die Vielzahl der Ausbildungen in vielen Fällen für den eigentlichen Beruf. Seien es die einfachen Sanitätslehrgänge bis hin zu den Lehrgängen fürFührungskräfte.

Es wird immer wieder angeführt, dass eine ehrenamtliche Betätigung hinderlich bei der Jobsuche sei, wenn nicht sogar den Arbeitsplatz gefährden. Mir persönlich ist in Baden-Württemberg kein Fall bekannt, in dem tatsächlich jemand seinen Arbeitsplatz wegen einer ehrenamtlichen Betätigung verloren hat. Auch legen immer mehr Arbeitgeber großen Wert auf die sogenannten social skills, für gehobene Positionen gehört ein "Ehrenamt" einfach zum guten Ton. Vom gesellschaftlichen Nutzen muss wohl niemand überzeugt werden, das Gesundheitswesen, der Katastrophenschutz und viele andere Dinge wären ohne ehrenamtliche Arbeit schlicht und ergreifend nicht finanzierbar. 

Ich möchte mit den Worten von Dipl. Sozialpädagoge Wolfgang Schuch abschließen:

Die Wurzeln des bürgerschaftlichen Engagements

In den Stadtgesellschaften der Antike Griechenlands, Wiege unserer Demokratie, war es Sache jeden (männlichen!) Bürgers sich für das Gemeinwesen zu interessieren, in der Versammlungen über die Belange der Stadt (=Polis – Politik) zu diskutieren und sich für das Wohl des Gemeinwesens zu engagieren. Für diese Dinge hatten die Bürger auch reichlich Zeit, denn für die Arbeit waren Sklaven zuständig – und die Frauen... Wer diesen Versammlungen fern blieb und sich den Angelegenheiten des Gemeinwesens verweigerte war ein "Idiot" (=Privatmensch).

Und was tust Du?

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