Donnerstag, 29. Mai 2025

KI in der Gefahrenabwehr

KI in der Gefahrenabwehr – zwischen strategischer Vision und operativer Realität

Auf der diesjährigen Jahresfachtagung der vfdb e.V. hatte ich die Gelegenheit, mit Prof. Dr. Olaf Grebner (mobilion.eu) über seinen „KI-Masterplan für Deutschlands Feuerwehren“ zu sprechen.

Das vorgestellte Plakat strukturiert über 80 potenzielle KI-Anwendungsfälle entlang der gesamten BOS-Prozesskette – von der Notrufannahme bis zur Nachbereitung.

Im Zentrum stehen Visionen einer KI-gestützten Gefahrenabwehr: automatisierte Lagebilder, dynamische Ressourcenprognosen, sprachanalytisch vorqualifizierte Notrufe, lernende Trainingssysteme.

Die Liste ist ambitioniert – mit vielen Ansätzen, die sich derzeit eher auf einem konzeptionellen als auf einem operativen Reifegrad befinden.

„KI ist das neue ‚Digitalisierung‘“, formuliert es Grebner treffend.

Denn was als innovationsgetriebene Zielbildentwicklung angelegt ist, bewegt sich vielfach im Bereich dessen, was Gartner im sog. Hype Cycle als „Peak of Inflated Expectations“ beschreibt (https://www.gartner.de/de/artikel/hype-cycle-fuer-kuenstliche-intelligenz): hohe Erwartungshaltungen bei gleichzeitig begrenzter Umsetzbarkeit.

Besonders sichtbar wird das im Cluster „Stabsarbeit & Lagenanalyse“. Die dort skizzierten Szenarien umfassen: 

➡️ automatisierte Lagedarstellung
➡️ KI-gestützte Kollaboration im Stab
➡️ Identifikation kritischer Entwicklungen (Sensemaking)
➡️ systemische Lageprognosen
➡️ Erkennung von Fehlinformationen

Die zugrundeliegenden Probleme sind real – aber die Lösung durch KI ist komplex. Denn:
1️⃣ Stäbe arbeiten in hochdynamischen Kontexten mit unsicheren und teils analogen Daten.
2️⃣ Lagen sind unikale Ereignisse – Trainingsdaten für KI sind kaum standardisierbar.
3️⃣ Gruppendynamik, Erfahrungswissen und implizite Entscheidungen dominieren die Stabsarbeit.
4️⃣ Verantwortungsketten sind nicht delegierbar – auch nicht an Algorithmen.

Kurz: Die technische Machbarkeit muss stets im Einklang mit organisationeller, rechtlicher und kultureller Realisierbarkeit gedacht werden.

Grebners Plakat liefert damit keinen Produktkatalog, sondern einen strukturierten Diskursraum für Innovationsstrateg:innen, Entwickler:innen und BOS-Entscheider:innen. Es zeigt: Die Richtung stimmt. Aber der Weg ist noch weit – besonders im Bereich Stabsarbeit.



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