Er ist geschafft, der erste Monat als frischgebackener Vater. Wider erwarten habe ich heute keine Augenringe bis zu den Kniescheiben. Ich flüchtete mich nicht in Grönemeyers Rettungsboot Alkohol und habe bislang keinen Hörschaden erlitten.
Im Gegenteil, der letzte Monat war, um es auf den Punkt zu bringen: Wunderschön!
Doch der Reihe nach... Wie bereits zu lesen war, entschloss sich Raphael am 21. März die beschwerliche Reise in die Welt der Großen auf sich zu nehmen. Über die Geburt, den Kreißsaal und den Notkaiserschnitt bereite ich den Mantel des Schweigens, zu intim waren diese Momente voller Ängste und grenzenloser Freude, als dass ich hier darüber berichten möchte. Es war definitiv nicht der Weg das Ziel, nur das Ergebnis zählt.
Da war er nun also, der Kleine. Ein Kopf, zwei Augen, eine Nase, ein Mund, zwei Arme, zwei Beine, ausreichend Finger und Zehen... Alles dran, was dran gehört! Überglücklich, zu Tränen gerührt mit fassungslosem Staunen durfte ich meinen Sohn in den Arm nehmen. Ganz ruhig war er, entspannt schmiegte er sich an mich. Dieser Moment hatte etwas unglaublich schönes, beinahe spirituelles an sich. Mit diesem kleinen Wunder auf dem Arm fängt auch ein fundamentalistischer Atheist, als den ich mich gerne bezeichne, an dieser Einstellung zu zweifeln an. Keine Sorge, die Sentimentalität endet nun an dieser Stelle, aber es musste einfach einmal gesagt sein.
Im Krankenhaus
In jedem Ratgeber für werdende Mütter wird empfohlen, den Besuch auf der
Wöchnerinnenstation zu begrenzen, Mutter und Kind brauchen Ruhe. Wie sich herausstellte,
ist dies leichter gesagt als getan. Während viele durchaus verständnisvoll reagierten, wenn
man sie bat, Besuche bitte etwas aufzuschieben, reagierten einige beleidigt, andere sogar
störrisch und wieder andere tauchten einfach auf und waren nur schwerlich wieder
abzuwimmeln. In den üblichen Zweibettzimmern kommt da schon so einiges an Besuch
zusammen und die mangelnde Sensibilität gegenüber den Winken mit Zaunpfählen „Gott, bin
ich jetzt aber müde... *gäääähn*" ist schon erstaunlich. Auch bemerkenswert fand ich, die
konsequente Weigerung einzusehen, dass nicht der Besucher im Mittelpunkt steht sondern
Sohnemann und Mama. Das waren natürlich nur Einzelfälle, um so einigen Besuch war man
natürlich auch richtig dankbar. Nochmals auch von hier aus ein herzliches Dankeschön an die
Seelentrösterin und Hundesitterin!
Das Leben auf der Station ist schon als beinahe familiär zu bezeichnen. Einige Frauen
kannten sich bereits durch den Geburtsvorbereitungskurs, man fieberte gemeinsam „Wann
kommt denn die xy? Die müsste doch auch diese Woche Termin haben..." Man sagt ja
eigentlich den Männern nach, dass sie gerne Längen von Körperteilen oder sonstige
Leistungen vergleichen. In diese Rolle schlüpfen hier die Frauen. „Schau mal, meiner macht
die Augen schon ganz lange auf – Mein Kind hat viel mehr Haare – Mein Kind schläft nachts
richtig gut, und Deins?" Muttis: Die Kleinen sind gerade mal ein paar Tage alt!
Wir Väter waren da anders. Wir trugen unsere Kinder stolz durch den Gang, anderen Vätern
warf man anerkennende und aufmunternde Blicke zu „Gut machst Du das!", in der
Kaffeeecke der Station war man mit einem Neugeborenen sofort das Highlight schlechthin.
Ich weiß nicht, wie oft ich in dieser Woche gehört habe „Gottchen, ist das (ab jetzt
quietschender Unterton) süüüüüüß! Was ist es denn?" Auch die lapidare Antwort „ein Baby"
verursachte nur kurze Irritationen. Munter wurde weitergequietscht „Ja ganz der Papa (oder
Mama, je nachdem, wer ihn auf dem Arm hatte). Da sieht man, aus welchem Stall der
kommt!" Nähere Familienangehörige sind hier differenzierter vorgegangen: „Also die Nase
kommt eindeutig aus Mamas Familie. Die Augen und den Mund hat er vom Papa..." Das mit
der Nase konnte ich nicht unkommentiert lassen: „Nein nein, schaut mal, das eine Nasenloch
ist ein bisschen kleiner als das andere. So wie bei mir!" – Liebe Leute, lasst den Kleinen doch
einfach mal ein bisschen wachsen, dann sieht man schon, nach wem er kommt!
(Un)nötiges Gerenne
Wenn ich nicht auf der Wöchnerinnenstation war, diese wollte ich eigentlich maximal zum
schlafen verlassen, unternahm ich die verschiedenen Behördengänge. Unter anderem standen
hier Besuche bei der Krankenkasse und beim Arbeitgeber meiner Frau auf der Agenda. Denn
kaum sind die Kinder da, legen einem verschiedenste Stellen kräftig Hürden in den Weg...
Bekanntlich werden ja sechs Wochen vor der Geburt bis acht Wochen nach der Niederkunft
sowohl vom Arbeitgeber als auch von der Krankenkasse anteilig Mutterschaftsgeld bezahlt.
Sollte hier die eine oder andere falsche Begrifflichkeit unterkommen, bitte ich um Nachsicht,
ich bin Laie auf diesem Gebiet. Nach einigem hin und her bezahlte die Krankenkasse das
Mutterschaftsgeld für die sechs Wochen vor der Geburt. Berechnungsgrundlage hierfür ist der
errechnete Geburtstermin. Es kommen gerade einmal 5% aller Kinder genau am Stichtag zur
Welt, das ganze hat also etwas von moderner, ultraschallgestützter Kaffeesatzleserei. Das
Mutterschaftsgeld für die folgenden acht Wochen nach der Niederkunft wird bei der AOK erst
nach der Geburt ausbezahlt, da es eine Stichtagsrechnung ist und anhand des Geburtstages
berechnet und in einem Betrag ausbezahlt wird. Wenn sich nun also ein Kind ein, zwei
Wochen mehr Zeit lässt, bis es die frische Luft des Nordschwarzwaldes schnuppern will, fehlt
Geld in der Familienkasse. Und wenn man nun der Ansicht ist, dass mit der Geburt ein
Automatismus in Gang gesetzt wird, dass alles seine eigenen Wege geht, dann irrt man. Denn
nicht die Geburtsbescheinigung des Krankenhauses reicht zur Beantragung aus, nein, nur die
durch einen (übrigens kostenpflichtigen) Verwaltungsakt des Standesamtes ausgestellte
Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse zur Beantragung des Mutterschaftsgeldes
ermöglicht es der Kasse, dieses Geld auszubezahlen. Wer mitgerechnet hat: Wir sind
mittlerweile schon gute drei Wochen nach dem errechneten Termin, also neun Wochen nach
der letzten Auszahlung angelangt. In meinen Augen steckt ein Fehler im System. Tante
Google berichtete mir, dass andere Kassen hier wohl auch anders vorgingen, dass unabhängig
vom errechneten Termin Mutterschaftsgeld ausbezahlt würde und nach Vorlage der
Geburtsbescheinigung eine Ausgleichszahlung geleistet wird. Nun ja, an dieser Praxis kann
man nichts ändern, es handelt sich ohnehin nur um 13 €/Tag, dies alleine führt höchstens zu
Unannehmlichkeiten.
Zu Problemen allerdings führte der Arbeitgeber meiner Frau. Hier wurde schlicht und
ergreifend mit ähnlich lautender Begründung (Stichtag, Berechnung, blablabla) seitens einer
Vorgesetzten das Gehalt für den März nicht ausbezahlt. Es sei Pech, wenn ein Kind später
kommt, da müsse man durch. Also fehlte nicht nur das Mutterschaftsgeld der Krankenkasse,
nein, unterm Strich fehlte ein komplettes Monatsgehalt. Hier konnte ein Gespräch allerdings
für Aufklärung sorgen. Die Vorgesetzte hatte nach der Anfrage meiner Frau lediglich
Inkompetenz bewiesen, die fehlende Auszahlung war ein Versehen nach erfolgter
Tarifumstellung. Das Angebot, das dann im April einfach mit auszubezahlen, schlug
ich aus, denn mittlerweile fehlte massiv Asche auf dem Konto. So konnte ich schlussendlich relativ
unbürokratisch mit einem vierstelligen Betrag in bar den Arbeitgeber meiner Frau verlassen
und zurück ins Krankenhaus. Es war das Gefühl des Jägers, der mit fetter Beute nach Hause kehrt.
Endlich daheim!
Wie auch immer, nachdem diese Widrigkeiten ausgeräumt waren, ich mich zu Hause als
Hausmann bewies, Wäsche gewaschen hatte, einkaufen war, die Wohnung geputzt hatte,
durfte ich meine zwei Lieben am Freitag aus dem Krankenhaus nach Hause holen. Mit
stolzgeschwellter Brust den Hightech-Kinderwagen mit Babyschalenaufsatz vor mir
herschiebend stürmte ich die Station. Das meiste Gepäck hatte ich bereits am Tag zuvor mit
nach Hause genommen. Männliche Leidensgenossen, wenn ihr denkt, dass eure besseren
Hälften schon für einen zweiwöchigen Urlaub übertrieben viel Gepäck haben, dann wartet
mal den Aufenthalt in der Wöchnerinnenstation ab! Am Anfang ist es nur ein Koffer, im
Laufe der Woche werdet ihr aber so einiges an Zeug mit ins Krankenhaus nehmen,
angefangen beim vergessenen Föhn, über diverse stillfreundliche, sprich aufknöpfbare
Oberteile bis hin zu Stramplern, da die im Krankenhaus nicht schön und sowieso zu groß
sind.
Auch nett wird es, wenn ihr im Drogeriemarkt Still-BHs einkauft. Still-BH-Fachverkäuferin:
„Welche Größe?" Ich: „Ähm... nun ja, bis letzte Woche war's noch B, jetzt tippe ich mal auf
C..." Verkäuferin: „Und der Brustumfang?" Ich: „Ähm..." Ich beschloss, einfach mal drei
Stück auf Risiko mitzunehmen. Übrigens: Sie haben gepasst! Jedenfalls warteten wir noch auf
die abschließende Untersuchung durch den Stationsarzt und konnten dann gen Heimat reiten.
Die erste Fahrt im Auto: Wie mit rohen Eiern.
Die erste Zeit zu Hause war spannend. Alles machte man nun zum ersten mal mit Kind. Seien
es so banale Sachen wie Wäsche aus dem Keller holen, mit dem Hund Gassi gehen,
einkaufen, alles muss koordiniert werden. Anfänglich machte ich das alles alleine, nach dem
Kaiserschnitt war Schonung angesagt. Wobei ich sie bereits nach wenigen Tagen am liebsten
ans Bett gefesselt hätte, diese überbordernde Energie war kaum zu bändigen. Überhaupt war
der Heilungsprozess phänomenal schnell vonstatten gegangen. Bereits an Ostern, also nach
zwei Wochen, machten wir einen ausgedehnten Spaziergang. Geplant waren vier Kilometer, dank
des untrüglichen Orientierungssinns (man nannte sie auch GPS) waren es dann sieben
geworden, aber diese stand sie ohne Probleme durch.
Seit eineinhalb Wochen arbeite ich jetzt wieder und bekomme vieles nicht mehr mit. Es ist
schade, nicht jeden Entwicklungsschritt mitzubekommen, jeden Tag entdeckt man etwas
neues, jeden Tag entdeckt Raphael etwas neues, jeden Tag passiert ein „erstes mal".
Es gab viele „erste male" die letzten Wochen.
Das erste mal:
- zu Hause gewickelt (ja, auch ich)
- zu Hause gestillt (nein, ich nicht)
- Kind und Hund konfrontiert
- dass der Hund jemanden ankläfft, der zu nahe an den Kinderwagen geht
- in der Babybadewanne baden (doof)
- mit Papa in der großen Wanne baden (nicht ganz so doof)
- dass Papa am vollen Windeltwister verzweifelt (ich bin begeistert vom Eimer selbst,
aber mit dem integrierten Messerchen die volle Kette abschneiden... Na ja...)
- die Mama von oben bis unten vollgespuckt (das passiert des öfteren, ich hatte bislang
Glück)
- den Papa beim wickeln angepinkelt (da habe ich laufend weniger Glück)
- vom Rücken auf die Seite drehen (das geht)
- mit Mama und Papa Eis essen gehen (er musste allerdings mit Mamas in Milch
umgewandeltem Eis vorlieb nehmen)
- ein sachtes Lächeln auf den Lippen (es ist mir egal, was in den Büchern steht. Er hat
mich angelächelt!)
Auch wenn ich nun ein Feierabend- und Wochenendvater bin, so weiß ich doch, dass er
tagsüber in den besten Händen ist. Meine Frau ist das geborene Multitasking-Talent, sie
erweckt nicht den Eindruck einer gestressten Hausfrau und Mutter, alles wird mit viel Liebe
und Geduld angegangen. Ein großes Kompliment!
An dieser Stelle nochmals ein besonderes Dankeschön an das Team der Hebammen und
Kinderkrankenschwestern der Wöchnerinnenstation in Calw, insbesondere Constanze und
Michaela für die liebevolle und kompetente Pflege und Betreuung vor, während und nach der
Geburt. Danke an Moni, die Hunde- und künftige Babysitterin! Danke an unsere Eltern
für die Unterstützung und danke an alle, die sich mit uns über die Geburt unseres Sohnes
gefreut haben.