Neues aus Absurdistan...
Wie heute zu lesen ist, haben die obersten Richter in Karlsruhe entschieden, dass am Sonntag shoppen die Ausnahme bleiben muss. Das liberale Berliner Ladenöffnungsgesetz wurde gekippt, die Kirchen hatten dagegen geklagt.
Zur Begründung lassen die Karlsruher Verfassungswächter verlauten, Sonn- und Feiertage seien als "Tage der Arbeitsruhe" aus religiösen
Gründen, aber auch zur persönlichen Erholung der Arbeitnehmer und ihrer
Teilhabe am sozialen Leben geschützt. Nach dem sogenannten Weimarer
Kirchenartikel 139, der aus der Reichsverfassung von 1919 ins
Grundgesetz übernommen worden war, sind Sonntage grundsätzlich Tage der
Arbeitsruhe und der "seelischen Erhebung".
Das möchte ich von den Damen und Herren in ihren schicken bordeauxroten Roben nun folgenden Arbeitnehmern erklärt haben: Alten- und Krankenpflegern, Ärzten, Apothekern, Rettungsdienst- und Feuerwehrpersonal, Polizisten, Soldaten, Piloten mitsamt den Flugbegleitern, Taxi- und Busfahrern, Zugführern und Zugbegleitpersonal, Personal in der Schifffahrt, Beschäftigten in Tankstellen, das gesamte Hotel- und Gastronomiegewerbe, Angestellten der unzähligen Notdienste, angefangen beim ADAC bis hin zum Schlüsselnotdienst, Straßenwacht, Personal der Rundfunk- und Fernsehsender, Angestellten in Elektrizitäts- und Wasserwerken, 24h-stündigen Callcentern wie Supporthotlines, in der Landwirtschaft Tätigen usw. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Diejenigen, die wie selbstverständlich zu jeder Tages- und Nachtzeit und auch an Sonntagen ihrer Tätigkeit nachgehen und hier jetzt nicht aufgeführt wurden, bitte ich um Verzeihung.
Man schreit geradezu nach einer Entbürokratisierung unseres Landes, nach einer Verschlankung des Systems, des gesamten Apparates. Man spricht von Überregulierung durch die Politik. Und was passiert? Vor einiger Zeit ging ein pseudomoralischer Aufschrei des Entsetzens durch das Volk, als die Ladenöffnungszeiten an den Abenden großzügig ausgeweitet wurden. Dies würde sich nicht lohnen, so die Meinung des Stammtisches. Die Verkäufer/innen würden ja ausgenutzt, müssten 12h am Tag arbeiten. Dass weiterhin Gesetze über die Arbeitszeit ihre Gültigkeit behalten, wurde ebenso übersehen wie die Tatsache, dass eine Erweiterung der Ladenöffnungszeiten eine "kann-" und keine "muss-Regelung" darstellt. Würde es sich für die Einzelhändler nicht lohnen, würden sie die Läden weiterhin um 18:30 Uhr schließen. Natürlich wurde die Familie in den Vordergrund gerückt, es sei zuviel verlangt, an Sonntagen arbeiten zu gehen, es würde Familien zu sehr belasten, es sei geradezu unzumutbar. Warum eine Verkäuferin in einem Supermarkt besser gestellt werden soll als all diejenigen, die oben aufgeführt wurden, ist mir bis heute schleierhaft.
Nun streikt eine Gewerkschaft dafür, dass die armen Beschäftigten im Einzelhandel nicht auch noch sonntags arbeiten dürften, die Kirchen gehen auf die Barrikaden und das Bundesverfassungsgericht folgt lammfromm den Forderungen. Soviel zum Thema Trennung von Staat und Kirche...
Die Gesellschaft wandelt sich, die Ansprüche an Dienstleistungen und Kundenservice wachsen, in vielen Ländern ist es bereits eine Selbstverständlichkeit, zumindest in den Großstädten rund um die Uhr einkaufen zu gehen. Natürlich lohnt sich das nicht für den kleinen "Tante-Emma"-Laden auf dem Dorf, aber die Entscheidung, ob ein Geschäft geöffnet sein soll oder nicht sollte doch bitte beim Geschäftsführer liegen und nicht in der Politik und schon gar nicht bei den Kirchen.
Ach ja, eine Berufsgruppe habe ich vergessen: Pfarrer arbeiten bekanntlich auch sonntags.
Der letzte Satz ist gut. Ich hätte nicht unbedingt was gegen Sonntagsöffnungen, manchmal würde ich sie wahrscheinlich sogar nutzen. Bei Rettungsdiensten, Ärzten, Polizei, etc. ist es ja nachvollziehbar, dass gearbeitet werden "muss", alles andere ist Spaß, die dürften dann auch nicht öffnen Kneipen, usw.)
AntwortenLöschenWo darf ich Unterschreiben? Ich stimme da voll und ganz zu! :-)
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