Freitag, 24. Oktober 2025

Merz und die Stadtbilddebatte

Die Stadtbilddebatte - nur echt mit selbstgerechter Empörung!


Schulz von Thun hätte hier wieder seine helle Freude. Zeigt die Debatte doch, dass insbesondere auch der Rezipient für die Dekodierung und Interpretation von Botschaften eine maßgebliche Verantwortung trägt.

Denn was hat Merz eigentlich ursprünglich gesagt - frage ich fassungslos, dass ausgerechnet ich Merz einmal verteidige? Wörtlich: 
„Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“

Aha. Es geht also um „Rückführungen“, d.h. er bezieht sich auf folgende Personengruppen: Straftäter, Gefährder, abgelehnte Asylbewerber und nicht integrierbare Personen. In den Medien wurde die Aussage vielfach auf „Migration“ verkürzt und die Empörung ist - mal wieder - groß. Kontext und Realität werden im Inbrunst der vermeintlichen political correctness beiseite gewischt. 

Rein auf der Sachebene sagte er lediglich, dass geltendes Recht durchgesetzt werden muss. Rückgeführt sollen die o.g. Personengruppen werden. Punkt. Das dürfte breite Unterstützung finden - da hilft kein „Ja, aber“ gefolgt von Relativierungsversuchen im Sinne von “das eigentliche Problem sind Männer”, “meine Töchter fühlen sich nicht unwohl” usw.

Wer hier nun interpretiert, dass sich das gegen sämtliche Migranten richtet, verfällt dem eigenen Bias und möchte Merz oder der CDU nur zu gerne rassistische Ressentiments unterstellen. DAS - und nur das ist das eigentliche Wasser auf den Mühlen der AfD.

Kann man machen. Hat mit der Realität aber nichts zu tun. Was ist denn die Realität? Bosbach hat neulich die richtigen Fragen gestellt: Kann man gefahrlos mit einer Kippa in Großstädten auf die Straße? Warum haben viele Freibäder heute Security? Poller vor Weihnachtsmärkten, Messerverbotszonen (völlig sinnbefreit…)? Fakt ist: Das Stadtbild hat sich massiv verändert. Nicht, dass “früher alles in bester Ordnung” gewesen wäre. Das hat kein Mensch gesagt.

Merz' Statement richtet sich insbesondere gegen Straftäter und Gefährder, also genau gegen die, die auch bei mir für ein ungutes Gefühl sorgen, wenn ich oder mein 15jähriger Sohn nach Einbruch der Dunkelheit alleine in der City unterwegs sind. Ich glaube niemandem, der sagt, dass er das völlig frei von Sorge macht. Dagegen anzugehen ist vor allem eines: Richtig.

Löst die Rückführung der o.g. Personengruppe alle Probleme? Nein, sicher nicht. Kriminalität bzw. die Wahrscheinlichkeit zu kriminellen Handlungen haben ihre Ursachen in zigfachen sozialwissenschaftlichen Studien belegt NICHT in der nationalen Herkunft und Ethnie, sondern in der zugehörigen sozialen Schicht. Je bildungsferner und prekärer die Lebenssituation, je größer die Wahrscheinlichkeit zu kriminellen Handlungen. Legt man die soziale Herkunft zu Grunde, ergibt sich kein signifikanter Unterschied in der nationalen Herkunft. Nichtsdestotrotz gehört zur Wahrheit, dass oben genannte Personengruppe überproportional in diesen Schichten vertreten ist. Ursachenbekämpfung ist wichtig, kann aber nur langfristig Auswirkungen zeigen - kurzfristig hilft auch in meinen Augen nur die konsequente Anwendung geltenden Rechts. Wer durch sein Verhalten oder durch den Rechtsstatus sein Bleiberecht verwirkt hat, der muss auch mit aller Konsequenz rückgeführt werden.

By the way: Da ich mich stets für geflüchtete Menschen eingesetzt habe, werde ich regelmäßig aus einschlägigen Kreisen als linksgrünversiffter Gutmensch bezeichnet.

Welch Ironie - man kann das eine tun ohne den anderen Sachverhalten nicht kritisch gegenüberzustehen.

Dienstag, 14. Oktober 2025

Lagefeststellung und Lagedarstellung

Lagefeststellung und Lagedarstellung - reingeschmökert

Das Buch von Bernhard Horst und Martina Rehbein (3. Auflage, ecomed SICHERHEIT) ist ein umfassendes Werk für Stabsarbeit und Einsatzführung in Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben.

Die Autoren spannen einen weiten Bogen: Beginnend mit theoretischen Basics wie räumlichen Voraussetzungen eines Stabes, Grundlagen der Wahrnehmung über Themen wie Farbenlehre, Gestaltgesetze (z.B. Gesetz der Nähe), Symbolik bis hin zur Informationsgewinnung, Bewertung/Auswertung von Informationen, Aufbau/Führen der Lagekarte sowie Lagedarstellung auf verschiedenen Ebenen.

Auch das Thema „Software für die Stabsarbeit“ wird behandelt. Die Autoren definieren zunächst, was sie unter Stabssoftware verstehen - nämlich jede Software, die in einem Stab eingesetzt werden kann und führen entsprechende Einsatzbereiche auf:

🗺️ geografische Informationssysteme für die Lagekarte,
🔁 elektronische Nachrichtenverläufe,
⌨️ Textverarbeitung für die Einsatzdokumentation,
💻 Tabellenkalkulation zur Kräfteverwaltung,
🧑‍🚒 Ressourcenmanagementsysteme zur Personalverfügbarkeit,
💽 Datenverwaltung über Datenbanken.

Sie stellen fest, dass die meisten Aufgaben eines Stabes auch mit gängigen Office-Anwendungen – also Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Mailclient, Präsentationssoftware und Webbrowser – durchgeführt werden können.

Das ist eine Stelle im Buch, die mich (wen wundert’s 😉 ) zum Widerspruch anregt. Hier fehlt ein wichtiger Hinweis: eine gerichtsfeste und revisionssichere Dokumentation ist mit Standard-Office-Produkten faktisch nicht bis nur sehr schwer möglich. Führung in komplexen Lagen erfordert heute nicht nur Übersicht, sondern auch digitale Nachvollziehbarkeit, Datenintegrität und Zugriffssicherheit – Anforderungen, die spezialisierte Systeme erfüllen.

Horst und Rehbein stellen im Verlauf des Kapitels fest, dass sich verschiedene Stabsführungssysteme etabliert haben, die auf Geoinformationssystemen basieren, an Einsatzleitsysteme (ELS) angeschlossen sind und als Nebenfunktionen Schadenskonten führen, Führungsorganisationen abbilden, Einsatztagebücher integrieren und Ressourcenmanagement ermöglichen.

Aber auch das greift in meinen Augen ein wenig zu kurz, denn eine zeitgemäße Stabssoftware ist mehr als die Summe einzelner Anwendungen. Sie fungiert unter anderem als zentraler Datenhub, an dem Informationen aus ELS, Einsatzabschnitten, aller beteiligten Akteuren, aus Drittsystemen und weiteren Quellen zusammengeführt, konsolidiert und zielgruppengerecht visualisiert werden – auf Makro- und Mikroebene.

Fazit: Dennoch natürlich ein lesenswertes Praxishandbuch, das inhaltlich wie didaktisch überzeugt und die Breite der Thematik sehr gut abbildet. Ein empfehlenswertes Standardwerk für jeden, der sich mit Führung in den BOS beschäftigt.

Und natürlich auf der hinteren Einbandseite mit einem sehr wertvollen Hinweis versehen, wie optimale Lagefeststellung und Lagedarstellung funktionieren! 😎

Dienstag, 30. September 2025

Zeitenwende

Zeitenwende? In den Kreisen jedenfalls nicht.


Liebe Landräte, liebe Bürgermeister – halten wir die Zusagen der Zeitenwende auch vor Ort?

Am vergangenen Wochenende habe ich bei der Verbandstagung des Landesfeuerwehrverbands Baden-Württemberg mit mehreren Kreisbrandmeistern gesprochen. Was sie berichteten, war erschreckend:

👉 Haushaltslagen in den Kreisen katastrophal
👉 Investitionen eingefroren
👉 Lieferantenverträge gekündigt
👉 zugesagte Beschaffungen gestoppt

Der Wahnwitz an der Sache: Der Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU) ist in aller Munde und beschreibt ausdrücklich eine gesamtstaatliche, gesamtgesellschaftliche Verteidigungsbereitschaft – inklusive Schutz kritischer ziviler Infrastrukturen und enger Verzahnung von Militär und zivilen Behörden [1].

Doch wie ernst nehmen wir diese Verantwortung? Das Ahrtal hat gezeigt, was passiert, wenn ein Landrat seiner Verantwortung nicht gerecht wird [5]. Ich habe so meine Zweifel, dass sich Verantwortliche künftig mit „Aber der Haushalt…“ herausreden können.

Verantwortung beginnt nicht in Sonntagsreden, sondern in den Entscheidungen der Haushaltsausschüsse.

Klar, der Druck auf die kommunalen Haushalte steigt: 2024 schloss mit dem bis dato größten Defizit ab (≈ 25 Mrd. €); die Spitzenverbände sprechen von einer dramatischen Lage für 2025 [2].

Ja, der Bund stockt den Zivil- und Bevölkerungsschutz auf – für 2025 sind rund 1,4 Mrd. € vorgesehen [3]. Doch: Kommt davon genug im Kreis an, oder bleibt der Effekt im System stecken?

Vor diesem Hintergrund die offene Frage an die Verantwortlichen: Ist unsere Priorisierung richtig? Wir debattieren Milliarden-Sondervermögen und verteidigungspolitische Großprojekte – aber auf Kreisebene werden Schutzstrukturen zu Gunsten anderer „wichtigerer“ Projekte ausgedünnt. By the way: Was ist wichtiger als der Schutz der Bevölkerung?

Daher muss die Frage erlaubt sein: Wird das Sondervermögen zur sichtbaren Stärkung der Resilienz vor Ort – oder bleibt es ein zahnloser Papiertiger mit Null-Impact in Kommunen und Landkreisen [4]?

„No glory in prevention“ gilt offensichtlich weiter. Wir haben nichts dazugelernt.

Die Feuerwehrverbände und Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz sind sich einig. Benötigt werden für die kommenden Herausforderungen:

🔥 Personal
🔥 Schulung/Training
🔥 Ausstattung
🔥 Digitalisierungsstrategien
🔥 Rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Ausstattung zur Ermöglichung des Schutzauftrags
🔥…

Das sind keine Wunschlisten, sondern Kern staatlicher Daseinsvorsorge – und sie entscheiden, ob OPLAN-Anforderungen im Ernstfall tragfähig sind [1].

Die Frage ist nicht, ob eine Lage kommt, deren man mit den vorhandenen Mitteln und Strukturen nicht Herr werden kann. Sondern wann – und ob wir dann vorbereitet sind.

Es scheint sich aber ebenfalls wieder zu bewahrheiten: Mit Investitionen in den Bevölkerungsschutz gewinnt man keine Wählerstimmen.



Quellenangaben:

[1] Bundeswehr – Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU), offizielles Booklet (PDF): https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5920008/5eb62255741addec3f38d49a443d0282/booklet-operationsplan-deutschland-data.pdf

[2] Deutscher Städte- und Gemeindebund – Kommunaler Finanzreport 2025 (Defizit 2024 ≈ 24,8 Mrd. €), PDF: https://www.dstgb.de/themen/finanzen/aktuelles/statement-von-dstgb-praesident-ralph-spiegler-vom-30-juli-1/finanzreport2025-final.pdf
Deutscher Landkreistag – Finanzprognose 2025: Kommunalhaushalte kollabieren (Pressemitteilung): https://www.landkreistag.de/presseforum/pressemitteilungen/3470-finanzprognose-2025-kommunalhaushalte-kollabieren

[3] Bundesministerium des Innern – Pressemitteilung zum Regierungsentwurf Bundeshaushalt 2025 (Stärkung BBK/Binnere Sicherheit): https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2025/06/HH-2025.html
Bundesministerium der Finanzen – Überblick Bundeshaushalt 2025: https://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Bundeshaushalt/Bundeshaushalt-2025/bundeshaushalt-2025.html
(Ergänzend) BBK – PM „Regierungsentwurf Bundeshaushalt 2025: Ein deutliches Signal…“: https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/07/pm-07-signal-starker-bevoelkerungsschutz.html

[4] Deutschlandfunk – Hintergrund/Überblick zu Sondervermögen (Bundeswehr u. a.), Einordnung und Kritik: https://www.deutschlandfunk.de/deutschland-bundeswehr-infrastruktur-schuldenbremse-sondervermoegen-102.html

[5] ZDFheute – Flutkatastrophe Ahrtal: Schwere Vorwürfe gegen Ex-Landrat Pföhler (Disziplinarbericht, „gravierende Pflichtverstöße“): https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/flutkatastrophe-ahrtal-landrat-juergen-pfoehler-rheinland-pfalz-100.html

Mittwoch, 20. August 2025

Satellitenkommunikation

Satellitenkommunikation für die Feuerwehren in Baden-Württemberg 🚒🛰️Der große Wurf oder verpasste Chance?

Ja, Baden-Württemberg beschafft jetzt Satellitentechnik für die Feuerwehr. Gut so! Wir haben dieses Jahr einen flächendeckenden Ausfall des Tetra-Digitalfunks erlebt. Kommunikation geht über alles und muss Rückfallebenen haben. Aber: Nach Rückfrage bei Abel & Käufl ist klar – das System dient der Sprach-Redundanz.

Es geht in die richtige Richtung, aber es ist leider nur ein halber Schritt:

Wir reden 2025 über Digitalisierung, KI, Echtzeit-Lagebilder, OPLAN Deutschland, Vernetzung aller Akteure – und bauen gleichzeitig ein Satellitenkommunikationssystem für Feuerwehren, das nur „sprechen“ aber keine Daten kann.

Damit bleibt meiner Ansicht nach der entscheidende Mehrwert auf der Strecke:
➡️ Satellit als unabhängiger Datenkanal jenseits von Internet & Mobilfunk
➡️ Sichere Übertragung von Lageinformationen, Sensordaten usw.
➡️ Resiliente Datenkommunikation auch bei Netzausfällen

Sprachfunk ist wichtig und Tetra offensichtlich nicht ausfallsicher. Aber wenn wir den Bevölkerungsschutz wirklich robust machen wollen, reicht es nicht, alte Konzepte einfach ins All zu verlängern.

Der große Wurf wäre: Satellit als Rückgrat der digitalen BOS-Resilienz - sowohl Sprach- als auch Datenkommunikation.

Pressemitteilung Baden-Württemberg:

Freitag, 8. August 2025

WACKEN

W:O:A 2025 - ich war beruflich dort 🤘🎸🚒

Zwei Tage war ich zu Gast in der Technischen Einsatzleitung (TEL) und der Örtlichen Einsatzleitung (ÖEL) beim Wacken Open Air 2025.

🤘 85.000 Metalheads
🤘5.000+ Kräfte von Feuerwehr, Rettungs- und Sanitätsdienst, Polizei, Ordnungsbehörden und Security
🤘110.000 Menschen auf dem Gelände – eine infrastrukturelle & logistische Meisterleistung
🤘 Viel Regen, noch mehr Schlamm und der Spirit von Faster, Harder, Louder!

Vor Ort wird BOS-seitig mit unserer Software metropoly BOS gearbeitet. Die ÖEL/TEL setzt das System seit Jahren zur übergeordneten Führung und Dokumentation ein, voll vernetzt mit der kooperativen Regionalleitstelle West in Elmshorn, Feuerwehr, Rettungsdienst, Ordnungsamt, Polizei und Veranstalter.

Meine Mission: Nicht Support. Das System lief stabil. Die Abläufe saßen. Ich wollte sehen, wie metropoly BOS in einer derart großen, geplanten Lage funktioniert – fernab der ad-hoc-Lagen, die ich aus meinem Landkreis kenne.

Ich konnte viele Gespräche führen – mit Usern, mit Vertretern aus Politik und Verwaltung, z.B. den Landräten aus Steinburg und Dithmarschen sowie haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern aus verschiedenen Ebenen der Kreise, in denen metropoly BOS fest im Krisenmanagement verankert ist, z.B. aus Pinneberg.

Das Feedback: grundsätzlich positiv, offen, konkret und konstruktiv. Was gut läuft. Was verbessert werden kann. Was im Alltag wirklich zählt. Im Fokus die Frage: Wie gelingt Komplexitätsreduktion bei wachsender Datenflut? Wie stellen wir Informationen kontextsensitiv bereit – für jede Ebene verständlich, direkt, sicher?

Kein Marketing. Keine Filter. Sondern echtes Feedback aus der Einsatzpraxis. Genau deshalb war ich da. Nicht als Vertriebsmaßnahme sondern als Teil gelebter Produktverantwortung zur kontinuierlichen Verbesserung und Weiterentwicklung.

Mein Dank gilt den Kollegen in der TEL und ÖEL für das Vertrauen, die Offenheit und die Einladung zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Wacken war laut. Aber der Dialog war klar.

See you next year in Wacken, rain or shine 🎸🤘 W:O:A 2026, count me in!



Übrigens - Der Redakteur der lokalen Presse fragte mich, wie es eigentlich ist, wenn man arbeitet, wo alle anderen feiern. Herausgekommen ist dieser Artikel.
Quelle: Vaihinger Kreiszeitung, 08.08.2025













Ein paar weitere Impressionen: