Donnerstag, 28. April 2016

Gesundheitswesen: Level Absurdistan

Kennt Ihr die Szene aus "Asterix erobert Rom" mit dem Haus, das Verrückte macht? Ja? Das deutsche Gesundheitssystem war wohl das Vorbild, wie wir gerade feststellen müssen. 

Beantragung einer Reha-Maßnahme für meinen Schwiegervater, der nach einer OP zur Zeit bei uns wohnt:

1. Telefonat mit der AOK: Kein Problem, der Arzt soll das "Muster 61" schicken. 
2. Unser Hausarzt (Vaihingen): Nö, das muss der bisherige Hausarzt (Calw) machen, der hat ja auch die Facharztberichte. 
3. Telefonat mit AOK: Ja, muss der bisherige Hausarzt machen. 
4. Telefonat mit Hausarztpraxis Calw: Nein, telefonisch können Sie das nicht anfordern. Wir brauchen das Versichertenkärtchen. Termin aber erst in 3 Wochen. 
5. weiteres Telefonat mit der Hausarztpraxis: Ja klar, das Formular können wir auch ohne Arzt ausfüllen, kommen Sie einfach vorbei. 
6. Fahrt nach Calw zur Hausarztpraxis: Ach, das Muster 61? Ja nein, da hatten wir gestern eine Teamfortbildung. Das gibt's nicht mehr. Die AOK kann das direkt beantragen. 
7. AOK (Calw): Ja nein, zur Beantragung der Reha brauchen Sie das "Muster 61"... Abgeschafft? Nein, das "Muster 60" wurde abgeschafft. 
8. Googlen: Stimmt, die Ärztezeitung schreibt, dass das Muster 60 unnötig war, da es der Antrag auf einen Antrag war, also
9. zurück in die Hausarztpraxis: Quatsch, das "Muster 61" ist bei uns ja nicht einmal mehr im System... 60 sagen Sie, wurde abgeschafft? Hm... Stimmt. Aber das Muster 61 haben wir ja noch nie benutzt... Um das zu nutzen muss ich den PC neu starten und ich kann Ihnen nicht versprechen, dass wir das hinbekommen. Nächste Woche haben wir Urlaub... Zuschicken? Nein, geht nicht. 
10. ich sitze im Wartezimmer und habe angedroht, dass ich das erst verlasse, wenn ich das "Muster 61" habe. 

Falls Ihr von einem SEK-Einsatz in einer Calwer Arztpraxis lest: DIE HABEN ANGEFANGEN!

Dienstag, 12. April 2016

Deutsche Bahn - meine Abrechnung

Wer mit mir in Facebook befreundet ist, kann ein Lied von meinen ganz persönlichen Problemen mit der Deutschen Bahn singen. Ich habe es ja stets mit Humor getragen, aber es vergingen selten zwei Tage in Folge ohne irgendwelche Probleme. Bahnpersonal, das die VVS-Wertmarken nicht anerkannte, Streckensperrungen bzw. gezwungenermaßen die Altbaustrecke zwischen Vaihingen/Enz und Stuttgart fahren müssen, weil Bahnpersonal fehlt bis hin zu regelmäßigen Verspätungen, die mich meinen Anschlusszug auf der Hin- bzw. Anschlussbus auf der Rückfahrt verpassen ließen. Kurz gesagt: Irgendwas war immer.



Na gut, man kann nun sagen: „Wer sucht, der findet“ und die Bahn bietet auch viele Vorteile. Das ist sicher richtig, aber ich bin jetzt einige Jahre mit der Bahn gependelt – der einzig wirkliche Vorteil ist aber dann für mich nur gewesen, ein wenig in Ruhe lesen zu können. Früher von Calw nach Bad Cannstatt – was mich dem alltäglichen S-Bahn-Wahnsinn aussetzte. Nicht genug, dass es von Calw aus keine Zugverbindung nach Stuttgart gibt und man zuerst mit dem Bus nach Weil der Stadt fahren musste – was übrigens außerhalb des Verbundgebietes lag und man hierfür nochmals ein Anschlussmonatsticket benötigte – und die einfache Wegstrecke insgesamt auf 1,75 Stunden aufblähte, nein, auch nahezu täglich kam es im Stuttgarter Tiefbahnhof zu unschönen Szenen auf völlig überfüllten Bahnsteigen während des Berufsverkehrs. Ein ewiges Gedränge, bei dem man seinen Mitmenschen näher kommt, als man es eigentlich möchte. Für Klaustrophobiker denkbar ungeeignet.

Nach unserem Umzug nach Vaihingen/Enz klang zunächst einmal alles gut: Keine S-Bahn mehr, der IRE um 7:04 Uhr braucht genau 16 Minuten zum Stuttgarter Hauptbahnhof. 10 Minuten später geht es mit dem IRE Richtung Ulm nach Bad Cannstatt. Insgesamt brauche ich – wenn alles gut läuft – 1h10m hier von der Haustür bis in mein Büro. Das Problem ist u.a. die 15minütige Wartezeit nach Ankunft des übrigens immer pünktlichen Busses.  Dass die Bahn regelmäßig derart überfüllt ist, dass man förmlich um Stehplätze kämpft, macht die Sache natürlich auch nicht wirklich besser. Ein weiterer Zug wird sich für die Bahn vermutlich nicht lohnen, es wird auf dem Rücken der Kunden gespart. Ich habe es sogar erlebt, dass nicht alle Reisenden mitgenommen werden konnten, auch wenn das eine Ausnahme war. Abends habe ich dann zu den üblichen Feierabendzeiten eine stündliche Taktung, was einen in der Flexibilität deutlich einschränkt und oftmals kam es vor, dass ich wegen eines kurz vor Feierabend ankommenden Telefonats o.ä. denn zähneknirschend 50 Minuten länger im Büro blieb als ursprünglich geplant. Untragbar waren für mich die Arbeitstage, die abendliche Sitzungen beinhalteten, da die Taktung nach 20 Uhr deutlich länger als eine Stunde ist und oftmals keine Schnellverbindung bestand sondern ein RE über Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen usw. genommen werden musste. Diesen Zug habe ich nicht ein einziges mal mit pünktlicher Ankuftszeit erlebt, oftmals half nur ein beherzter Sprint zum Bus – oder aber ein abendlicher Spaziergang über 3,5km nach Hause. Oder ein Taxi für 10 €...

Wie auch immer, so weit, so unzufrieden mit der Dienstleistung der DB, die mich immerhin über 2.400 € im Jahr kostete. Ja, richtig: Kostete! Ich musste nun meine Jahreskarte kündigen, da es mir äußere Umstände nicht länger möglich machen, mit der Bahn zu pendeln. Meine Frau hat Anfang März eine neue Arbeitsstelle in Vaihingen angetreten. Ihr Dienstbeginn ist um 7 Uhr. Der Kindergarten für unseren Junior beginnt ebenfalls um 7 Uhr, sodass sie ihn aus nachvollziehbaren Gründen nicht länger dort hin bringen kann. Der aufmerksame Leser hat oben gesehen, dass mein Zug um 7:04 Uhr fährt. Für mich also absolut nicht machbar, diesen zu erwischen. Das Auto am Bahnhof auf dem (noch) kostenfreien Park&Ride-Parkplatz abzustellen, der um diese Uhrzeit regelmäßig aus allen Nähten platzt und Pendler zwingt, in Wohngebiete oder auf landwirtschaftliche Wege in der Nähe des Bahnhofs unter bewusster Inkaufnahme des Risikos von Strafzetteln auszuweichen, entfällt allerdings auch, da der nächste Zug erst um 8:07 Uhr fährt. Mit Anschlusszug ab Stuttgarter Hauptbahnhof käme ich frühestens um 8:50 Uhr im Büro an – meine Kernarbeitszeit beginnt um 8:30 Uhr. Die Bahn macht es mir durch diese Taktung also unmöglich, weiterhin mit ihr zu fahren. Meine Trauer hält sich in engen Grenzen.

Also ist jetzt der neue Modus Operandi: 6:40 Uhr aus dem Haus, meine Frau um 6:50 Uhr bei ihrer Arbeitsstelle absetzen, den Junior um 7 Uhr in den Kindergarten bringen und mich dann in den Stau auf der B10 nach Stuttgart zu stellen. Meine Frau holt den Filius dann mit dem Bus ab. Ich benötige morgens in der Regel  ab dem Kindergarten 1h10m ins Büro – je nachdem, wie ausgeprägt der Stau bei Schwieberdingen und dem Pragsattel ist. Also nicht wirklich länger als mit dem Zug, allerdings komme ich später los. Abends in etwa die gleiche Zeit nach Hause, allerdings bin ich nun wesentlich flexibler in der Feierabendgestaltung. Nach einer abendlichen Sitzung brauche ich ohne Stau 35 Minuten nach Hause, insgesamt verliere ich also keine Zeit und die Staus lasse ich mit der mir eigenen stoischen Gelassenheit über mich ergehen.

Habe ich schon erwähnt, dass sich meine Trauer in Grenzen hält?

Noch ein Wort zur Rechnung „Bahn ist billiger als das Auto“. Prinzipiell stimmt das. Allerdings nur unter der Prämisse, dass man die vielzitierten 30ct/km Autokosten in eine Rechnung aufnimmt, in der ein Auto ausschließlich für die Wegstrecke zur Arbeit angeschafft wurde. Das ist eher selten der Fall. Sobald ohnehin ein Familienauto vorhanden ist – und das ist ja die Regel, sieht diese Rechnung deutlich anders aus. Die Anschaffungskosten für ein Auto habe ich somit ohnehin, das ist also irrelevant. Relevant ist, dass ein Auto naturgemäß an Wert verliert, dieser Wertverlust erhöht sich durch die höhere Fahrleistung. Bei einem Auto in meiner Preisklasse (Renault Megane GrandTour) machen 100.000 km Mehrleistung bei einem 10jährigen Gebrauchtwagen im Wiederverkauf etwa 2.000 € aus, also heruntergebrochen keine 20 €/Monat. Die Kfz-Versicherung erhöht sich bei einer km-Mehrleistung nur marginal, auf die Steuer hat es überhaupt keine Auswirkungen. Auch diese Kosten hat man als Besitzer eines Familienautos ohnehin und können somit aus der Berufspendlerrechnung getrost herausgerechnet werden. Die Spritpreise werden natürlich nicht ewig so niedrig bleiben wie sie im Moment sind, aber derzeit verfahre ich Diesel für rund 70 €/Monat. Der Verschleiß ist in etwa doppelt so hoch, anstatt 500 €/Jahr setze ich für Inspektionen, Reifen usw. 1.000 € an, also 500 € mehr. Insofern komme ich auf eine tatsächliche Mehrbelastung von 130€/Monat. Im Vergleich dazu: über 200 € für die Bahn. Teurer als die Bahn ist Autofahren also nur unter bestimmten Umständen.

Nun denn, insgesamt ist diese Diskussion vor allem eines: Ideologisch aufgeladen. Ich will und kann gar nicht bestreiten, dass die Bahn ökologisch die sinnvollere Variante ist – aber rein aus Kostengründen muss man sich nicht für sie entscheiden. Wenn ich dann noch den ständigen Ärger berücksichtige, den man als Berufspendler mit der Bahn hat, dann kann ich jeden verstehen, der lieber mit dem Auto unterwegs ist. Auch bei Feinstaub in Stuttgart. Liebe Deutsche Bahn und Verkehrsverbund Stuttgart (VVS): Werdet zuverlässiger, günstiger und kundenfreundlicher. Vielleicht wechsle ich dann auch wieder zurück.