Dienstag, 16. November 2021

Corona - jetzt hat es mich doch erwischt...


Zuallererst: Vielen lieben Dank für all die Genesungswünsche! Ihr seid klasse! 

Im Moment geht’s mir gerade halbwegs gut. Da mir aber viele einen „milden Verlauf“ wünschen, möchte ich euch mal meinen „milden Verlauf“ bis jetzt schildern. Das im Bewusstsein, dass es durchaus wirklich sehr softe Erkrankungen gibt. Übrigens, die gängige Definition von „mild“ lautet bei Medizinern „kommt nicht ins Krankenhaus“.

Ich sage es einfach mal so, wie es ist: Ich habe mich noch nie so krank gefühlt (mal vom Aufwachraum nach einer OP abgesehen). Ich lag vorhin drei Stunden schlotternd mit bis zu 39,5° mit einem Ruhepuls von über 100 bis zu 120 (normal sind bei mir 55-65) im Bett und hatte einfach nur noch Angst. Ich war kaum in der Lage, mich klar zu artikulieren. Neben einem Reizhusten, der mir regelmäßig die Schädeldecke raushämmern will, tut mir so ziemlich jede einzelne Muskelgruppe von Nacken (hattet ihr schon einmal einen Überlastungsmuskelkrampf in der Halsmuskulatur? Sehr cool…) über den Schultergürtel, Rücken bis Lende, Bauch und Gesäß weh. Bei jeder verdammten Bewegung. Für die 8m zur Toilette brauche ich 2-3 Minuten. Dabei werde ich kurzatmig und brauche an jeder Ecke eine kurze Pause. Zwischenzeitlich hatte ich dauerhaft Sättigungswerte von 89-94%, Tendenz insgesamt fallend. Immer wieder habe ich verengte Atemwege und beginnende Atemnot. Kein sehr angenehmes Gefühl. Geschmacks- und Geruchssinn haben sich fast zu 100% verabschiedet. Ich schmecke noch sauer (am liebsten trinke ich im Moment heiße Zitrone), alles andere vom Kaffee über Cola, Red Bull, Wasser usw. schmeckt von der Temperatur abgesehen ziemlich gleich. Beim Essen schmecke ich noch mit gefühlten 0,2% der Geschmacksknospen etwas süß heraus. Welch Ironie, Appetit hatte ich bis heute Mittag nämlich durchaus noch. Aber der ist auch weg. Kurz: Vermutlich könnte ich problemlos eine Dose Surströmming essen. Die Augen brennen und schlafen ist kaum möglich, obwohl ich unendlich müde bin.

Mein Hausarzt riet mir, eine Hospitalisierung nach Möglichkeit zu vermeiden. Mittlerweile ist meine Altersgruppe von Mitte 40 bis 60 ein durchaus viel gesehener Gast und die Kapazitäten sind ziemlich dicht. Wenn sich das Ganze aber weiter verschlimmert, dann werde ich vermutlich nicht drumherum kommen.

Der Medikamentencocktail hier für zu Hause ist jetzt Budosenid, Salbutamol, Codein, Novalgin und Oxazepam. Inhalieren mit NaCl und einfach den Hintern im Bett lassen. Wenn die Atemnot aber stärker wird: Rettungsdienst rufen.

Boostern auf die harte Art. Und ohne meine Frau Nicole, die sich wirklich aufopferungsvoll mit FFP2 um mich kümmert und mich regelmäßig wieder aufbaut, wäre ich verloren. Ich habe sie gebeten, zu Hause zu bleiben - es ist mir völlig unmöglich, auf die Kids aufzupassen, die natürlich auch in Quarantäne sind. Mich selbst zu versorgen wäre phasenweise auch sehr schwer. Sie selbst darf raus, da sie geimpft ist. Die Kinder sind noch zu jung. Natürlich wird regelmäßig getestet - und ich hoffe inständig, dass der Rest der Family gesund bleibt. Vielen Dank, mein Schatz!

Ich war übrigens auch geimpft. Am 10.12. hätte ich mich boostern lassen können. Ich vermute, dass ich bei der Schwere dieses „milden Verlaufs“ nicht mehr viele Antikörper hatte. Angesteckt? Wer mich kennt, weiß, dass ich eher zur vorsichtigen Gattung Mensch gehöre. FFP2 habe ich immer dabei. In meinem Bekannten- und Kollegenkreis, Menschen, mit denen ich regelmäßig Kontakt habe, ist meinem Wissen nach niemand ungeimpft. Die Ansteckung erfolgte vermutlich in der Straßenbahn. Die ist in Karlsruhe oftmals ein Synonym für Sardinenbüchse. Ich habe mich trotz Impfung regelmäßig getestet. Zu Recht. Vergangenen Freitag war der Test übrigens noch negativ, das Drama nahm am Sonntag Lauf auf.

Es ärgert mich: Wir haben uns an die Regeln gehalten. Wir haben Kontakte reduziert. Wir haben uns geimpft, sobald es möglich war. Wir haben 3G praktiziert, haben Masken getragen usw. Ich hätte mir gewünscht, dass das Karma mir einen asymptomatischen oder zumindest nur den kleinen Schnupfen präsentiert, der von Impfgegnern immer angeführt wird. Karma, I am really pissed!

Was zeigt mir das Ganze, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Inzidenzen? 3G reicht nicht aus. 2G plus - Geimpfte müssen sich wie Genesene auch regelmäßig testen, denn auch wenn die Wahrscheinlichkeit nach den vorliegenden Daten eher gering ist - sie können infektiös sein. Einmal im Monat auch mit Antikörpertest und ab einem gefährlichen Schwellenwert boostern ermöglichen. Wenn das nicht funktioniert, schauen wir neidvoll in Länder mit Impfquoten >85% - dort ist die Pandemie zumindest derzeit faktisch vorbei.

Übrigens: alles oben genannte hat sich innerhalb weniger Stunden entwickelt. Sonntagmorgen ging es mir noch gut. Erst mittags habe ich einen leichten Schnupfen verspürt. Und dann ging es rasant.

Ist das Bild zu diesem Beitrag provokant? Ja. Es symbolisiert für mich aber, dass all die Argumente gegen Impfungen in meinen Augen die selbe wissenschaftliche Qualität haben wie Homöopathie, Bachblüten und altgermanische Medizin. Und nein, ich bin nicht der Ansicht, dass eine Impfpflicht gegen die Verfassung verstößt. Jeder darf diese Meinung haben, keine Frage. Er muss aber ebenso wie ich für meine Meinung mit Gegenwind rechnen. Meinungsfreiheit ist keine Einbahnstraße.

Die kognitiven Fähigkeiten lassen nach, merke ich. Für diesen Text habe ich jetzt Stunden gebraucht. Tippfehler bitte ich nachzusehen.

Bleibt gesund: und #allesindenArm

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