Freitag, 17. Mai 2019

EinsatzVeteran



Meine Facebookfreunde kennen meine mittlerweile liebgewordene Tradition des #casualTshirtfriday - unter diesem Hashtag zeige ich, dass ich freitags in der Regel im T-Shirt ins Büro komme. Ein wenig mehr "casual" als sonst, sozusagen.

Manchmal hat das T-Shirt einen Kontext - heute geht es um den Bund Deutscher EinsatzVeteranen e.V., ich habe das Bild mit diesem Text eingestellt:








#casualTshirtfriday #BundDeutscherEinsatzVeteranen


Heute hat mein T-Shirt einen ernsten Hintergrund.

Vor etwa eineinhalb Jahren wurde ich von einem Psychologen im Rahmen einer gutachterlichen Untersuchung vor einer Operation gefragt, ob ich durch meine Einsätze Ende der 1990er Jahre in Sarajevo und dem Kosovo (2000) traumatisiert sei. Ich wies das geradezu reflexartig weit von mir – wie könne ich das, wenn ich nicht unmittelbar an Gefechten beteiligt gewesen war? Es gibt so viele Soldatinnen und Soldaten, die weitaus schlimmeres erlebt haben. „Nein“, war meine Antwort. „Das liegt ja mittlerweile fast 20 Jahre zurück, ich bin sicher nicht traumatisiert. Das ist vorbei...“

Die Frage hat dennoch etwas in mir ausgelöst. Stimmt das so? Gingen diese Einsätze wirklich spurlos an mir vorbei? Warum muss ich noch heute unmittelbar an Minen denken, wenn ich befestigte Wege verlasse? In meiner aktiven Zeit im Rettungsdienst haben mich gewisse Gerüche immer unmittelbar an die Exhumierungen von Massengräbern erinnert. Große Menschenmassen erzeugen noch heute ein ungutes Gefühl in mir und ich halte mich lieber am Rand auf anstatt mittendrin, halte unwillkürlich nach Fluchtwegen und Deckung Ausschau. Bei unverhofften Knallgeräuschen muss ich auch heute noch sofort an das Drive-By-Shooting im Feldlager Prizren denken, bei dem nur aus purem Glück niemand verwundet wurde. Ich empfinde noch immer unbändige Wut, wenn ich an den Dilettantismus vieler Akteure in den Einsätzen denke. Wut auf Vorgesetzte, die Machtverhältnisse missbrauchten – manch einen hätte ich mir gut 70 Jahre früher in anderer Uniform mit kniehohen Stiefeln und Reitgerte in der Hand vorstellen können. Wut auf mich selbst, nicht immer den eigenen Prinzipien gefolgt, sondern unter Androhung von Repatriierung und etwaiger, wie ich heute weiß völlig unsinniger dienst-, zivil- und strafrechtlicher Folgen eingeknickt zu sein. Wut auf ein System, das Machtmissbrauch begünstigt hat. Wut auf die naiv-romantischen Spinner von Friedensbewegung und Co., die dem Genozid lieber weiterhin friedlich demonstrierend zugesehen hätten und uns als Mörder verurteilen. Die eigene Verrohung in dieser Zeit, den Verlust der guten Sitten, das extrem markige, martialische Auftreten und Verhalten untereinander entsetzen mich rückblickend noch heute, die „Resozialisierung“ im zivilen Umfeld ging zum Glück relativ schnell.

Ich empfinde Mitleid mit Opfern unter den „Locals“, denen bewusst nicht geholfen wurde oder aus Unfähigkeit nicht geholfen werden konnte. Gänsehaut bekomme ich noch heute, wenn ich mich an die Ehrengeleite von im Einsatz umgekommenen Kameraden erinnere – auch wenn damals keine Kampfhandlungen sondern Suizide, Herzinfarkte oder Unfälle die Ursache waren.

Nein, ich glaube tatsächlich nicht, dass ich traumatisiert bin – aber gewiss haben mich diese Einsätze nachhaltig geprägt und haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ob einige gesundheitliche Probleme der letzten 15 Jahre eventuell doch ihre Ursachen in dieser Zeit hatten? Ich weiß es nicht – heute geht es mir jedoch gut. Ich bin mir bewusst, dass viele der mittlerweile über 300.000 Kameradinnen und Kameraden, die im Einsatz waren, nicht so viel Glück hatten, die verwundet an Körper oder Seele heimgekehrt sind. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, Soldatinnen und Soldaten kommen aus der Mitte unserer Gesellschaft, sie werden vom Bundestag in den Einsatz geschickt. Veteranen sind Menschen wie Du – und ich. Daher bin ich Mitglied im Bund Deutscher EinsatzVeteranen e.V., daher werbe ich für eine Anerkennungs- und Veteranenkultur in Deutschland.

www.veteranenverband.de

#sempercommunis















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