Dienstag, 28. August 2012

Cc: - Denunziantentum im Web 2.0

Cc - ursprüngliche Bedeutung: Carbon Copy - Kohlepapierdurchschlag. Im heutigen Emailverkehr werden mit Cc. weitere Empfänger einem Adressatenkreis zugeordnet, die eine "Kopie" der Email bekommen.

Prinzipiell sind Emails eine prima Sache. Während man früher tatsächlich noch mit Kohlepapierdurchschlägen arbeitete, später mit Matrizen und in nicht allzu ferner Vergangenheit das Kopiergerät seinen Siegeszug antrat, kostete der Versand eines Rundschreibens doch sehr viel Arbeitszeit. Brief schreiben, vervielfältigen, einkuvertieren und wenn man Glück hatte, gab es Adressaufkleber. Ab zur Post und eventuell hatte man nach einer Woche die ersten Antworten. Wie schnell geht das doch heute: Email schreiben, Adressatenkreis wählen, abschicken. In sekundenschnelle wird die elektronische Post zugestellt und ein Vorgang, der früher Wochen und Monate bis zum Abschluss gedauert hat, ist oftmals in einem Bruchteil der Zeit erledigt. Ein Segen der Technik - den ich persönlich nicht missen möchte.

Aber es gibt auch eine Kehrseite. In der Emailkorrespondenz zeichnet sich mehr und mehr eine Verrohung der Sitten ab. Die gute, alte abendländische Höflichkeitskultur wird mit Füßen getreten, auf Grußformel und Eingangsfloskel wird oftmals gänzlich verzichtet. Im Verlauf eines "Emailgesprächs", quasi einem "Chat" mag das sicherlich angehen, ohne dass man es als unhöflich betrachtet. Werden aber Emails geschickt, beispielsweise mit einem Dateianhang und lediglich einem "Umgehend erledigen" im Text, ohne dass dies ein stehender, immer wieder kehrender Vorgang ist, dann zeigt sich dadurch eine gewisse Form der Missachtung seines Gegenübers. Der Mitmensch ist einem nicht wichtig genug, die grundlegenden Regeln des menschlichen Umgangs miteinander zu berücksichtigen.

Noch weitaus schlimmer ist der inflationäre Umgang mit dem Kohlepapier - pardon, mit dem Cc. Grundsätzlich ist jedem Menschen, der eine Nachricht verbreitet zu unterstellen, dass er hierzu eine Motivation hat. Im günstigsten Fall um andere Menschen, Mitarbeiter und Kollegen über ein sie betreffendes Projekt oder Thema zu informieren. Auch das kann schief gehen, wenn wir uns an den sog. "Shitstorm" erinnern, den Babette dieses Jahr im Bundestag ausgelöst hat. Ungünstiger wird es, wenn man eine Email erhält und sich fragt: "Was soll ich mit dem Mist? Betrifft mich nicht, interessiert mich nicht - löschen." Warum hat der Absender mich in seinen Adressatenkreis genommen? Wenn es sich nicht um eine von falschen Annahmen ausgehende - dass den Adressaten das Thema tatsächlich betrifft - Versendung der Email handelt, dann liegt der Verdacht einer gewissen Profilierungssucht nahe. Und sei es nur um zu zeigen, dass man auch etwas zu sagen hat. Schlussendlich aber hat ein jeder in seiner täglichen Arbeit Probleme, der Flut an Neuigkeiten, die das Informationszeitalter mit sich gebracht hat, Herr zu werden. Emails werden gelesen, oftmals nur oberflächlich überflogen und tatsächlich wichtige Informationen gehen unter Umständen völlig unter.

Die schlimmste Unsitte ist jedoch, jemanden per Email auf ein vermeintliches Fehlverhalten hinzuweisen und hierbei andere Personen ins cc. zu nehmen. Was wird hiermit bezweckt? 

Man reise nun gedanklich in die Zeit des Kohlepapiers und des guten, alten Briefverkehrs zurück. Man stelle sich vor, man hat das dringende Bedürfnis, an einem anderen Kritik zu üben. Man spannt also einen Briefbogen in die Schreibmaschine und urplötzlich fällt einem ein, dass man ja auch anderen unbedingt mitteilen muss, was man zu kritisieren hat. Also kommen hinter den Briefbogen noch mehrere Kohlepapiere und Durchschlagblätter - bis die Walze in der Schreibmaschine um Gnade winselt - oder der Toner im Kopierer vor Überhitzung kapituliert. Nein, ich unterstelle, dass kaum jemand vor 20 Jahren auf diesen Gedanken gekommen wäre. Man hätte zum Telefonhörer gegriffen und die Sache aus der Welt geräumt. 

Was passiert heute? Unüberlegt wird der Frust über ein vermeintliches Fehlverhalten in ein Emailprogramm gerotzt und einem möglichst großen Verteilerkreis diese Information zugänglich gemacht. Man übt damit eine Form von Macht aus, denn nichts ist leichter zu schädigen als ein Ruf - selbst wenn sich die Kritik als haltlos herausstellen sollte. Ich möchte sogar soweit gehen, neben der offensichtlich vorhanden Profilneurose eine Form von Böswilligkeit zu unterstellen, denn augenscheinlich möchte man dem anderen schaden. Natürlich, "Allen antworten" ist eine Option, die unter Umständen den Absender dumm da stehen lässt - aber muss man so einen Umgang miteinander pflegen? Ich denke nicht. Darum: Prüfe stets Deine Motivation, warum Du Menschen ins Cc. nimmst. Ist es wirklich notwendig?

Ach ja, eine Steigerung zum Cc - Denunziantum im Web 2.0 - gibt es dann tatsächlich noch. Bcc genannt.

Sonntag, 26. August 2012

Religiosität - (k)eine Rolle im Ehrenamt


Neues von der FernUni-Front: Das Sommersemester ist vorbei und eine Hausarbeit war anzufertigen. Zunächst musste ein englischsprachiger Text bearbeitet werden. Ich entschied mich für Women’s Rights and Islam in Turkish Politics: The Civil Code Amendment von Yesim Arat. Die Autorin bearbeitete die Fragestellung, inwieweit die Parlamentsdebatten zur Novellierung des Zivilgesetzes mit Schwerpunkt der Gleichberechtigung der Frau in der Türkei seitens der Regierung und der Opposition genutzt wurden, um eine Grundsatzdiskussion über den säkularen Staat auf der einen und die Verankerung des Islam auf der anderen Seite zu führen. Die weitere Aufgabenstellung lautete, sich Gedanken um ein eigenes 15seitiges Hausarbeitsthema mit thematischer Nähe zum englischsprachigen Text zu machen, eine Fragestellung zu erarbeiten, hierzu Literatur zu recherchieren, die theoretische Verortung zu finden und abschließend ein Exposé und eine Gliederung zu erstellen. Es ist naheliegend, bei derartigen Aufgabenstellung zu versuchen, auch eine Nähe zum Beruf zu finden. Von daher beleuchtete ich zunächst einmal vergleichend die Katastrophenschutzstrukturen in Deutschland und der Türkei. Daraus lies sich allerdings schwerlich eine politikwissenschaftliche bzw. soziologische Fragestellung ableiten, die auch nur ansatzweise mit dem Ursprungstext zu tun hatte. Als mir allerdings eine Statistik über die Bedeutung der Religion im alltäglichen Leben in der Türkei und den EU-Ländern unter die Augen kam, war das Thema geboren. Hier mein eingereichtes Exposé mit für mich persönlich durchaus überraschendem Ergebnis:


Religiosität – (k)eine Rolle im Ehrenamt

Wie wirkt sich die Religiosität einer Gesellschaft auf ehrenamtliches, freiwilliges Engagement in einer Hilfsorganisation im Katastrophenschutz aus?


Aus einem technischen sowie beruflichen Forschungsinteresse heraus beschäftige ich mich mit der Fragestellung, inwieweit der Grad der Religiosität der Bevölkerung eines Landes, hier im Speziellen der Türkei, Auswirkungen auf die Tätigkeit in einer konfessionslosen Hilfsorganisation mit Bezug zum Katastrophenschutz wie der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung hat bzw. inwieweit die Religiosität die Auswahl einer religiösen oder nicht-religiösen Hilfsorganisation, in der man sich ehrenamtlich betätigen möchte, beeinflusst. Die Fragestellung hat einen soziologischen Kern und wird politikwissenschaftlich die politische Gesellschaft betreffend konstruktivistisch in der Gendertheorie betrachtet. Als soziales Geschlecht wird hier die Religiosität gesehen.

Die Hausarbeit würde nachfolgende Gliederung (als Reihung) haben. Die Gliederungsstruktur ergibt sich aus den verschiedenen gleichwertig gegenüberzustellenden Gesichtspunkten:


1 . Vorwort (2 Seiten)


Jürgen Gerhards vergleicht in seiner Studie die Religions- und Wertorientierung in der EU und der Türkei.[1] Als Grundlage zu meiner Hausarbeit dienen die statistischen Werte über die Religion und Lebensführung. 17,9 % der Bürger der damaligen 15 „alten“ EU-Länder gaben an, dass die Religion wichtig im eigenen Leben sei. In der Türkei betrug dieser Prozentsatz 81,9 %.[2] Insofern ist die Frage, inwieweit sich dieser hohe Grad an Religiosität in der Bevölkerung beim Vorliegen eines ehrenamtlichen Interesses auf die Wahl der Hilfsorganisation mit bzw. ohne religiösen Hintergrund auswirkt, eine nähere Betrachtung wert.

Im Vorwort gehe ich des Weiteren auf das Untersuchungsinteresse ein und stelle kurz die Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung dar. Hier mit besonderem Schwerpunkt auf dem Neutralitäts- und Unparteilichkeitsgrundsatz[3], um die Unterscheidung zu Hilfsorganisationen mit religiösem Hintergrund aufzuzeigen.

2. Deutschland (2 Seiten)

Ich stelle in diesem Kapitel die Grundzüge des Katastrophen- bzw. Bevölkerungsschutzes in Deutschland dar. Zuerst wird die rechtliche Grundlage betrachtet (Verankerung im Grundgesetz)[4], anschließend die Einbindung der verschiedenen Hilfsorganisationen als private Träger der Katastrophenhilfe. Ehrenamtliche Betätigung im DRK und in Non Governmental Organizations (NGOs) sowie in staatlichen/kommunalen Organisationen wie dem Technischen Hilfswerk (THW) oder den Feuerwehren hat in Deutschland eine lange Tradition.

2.1 Deutsches Rotes Kreuz (DRK) (1 Seiten)

Es wird die föderale Organisationsstruktur des DRK betrachtet und die Mitgliedszahlen der aktiven Helfer der Hilfsorganisation aufgezeigt. Das DRK verfügt über etwa 400.000 ehrenamtliche Mitglieder.[5]

2.2 Hilfsorganisationen mit religiösem Hintergrund (2,5 Seiten)

Es werden die Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund (ASB)[6], Johanniter-Unfallhilfe (JUH)[7] und der Malteser-Hilfsdienst (MHD)[8] mit ihren jeweiligen Organisationstrukturen und dem religiösen Bezug dargestellt und die Mitgliedszahlen aufgezeigt. Der ASB verfügt über etwa 12.500 aktive Ehrenamtliche, die JUH über etwa 29.500, der MHD über etwa 44.000. 

3. Türkei (2 Seiten)

Die Strukturen des Katastrophenschutzes in der Türkei werden betrachtet. Es gibt hier, ähnlich wie in Deutschland, verschiedene Ministerien, die für diesen Komplex verantwortlich sind[9]. Anders als in Deutschland ist der Katastrophenschutz zentral gesteuert. Auch in der Türkei arbeiten neben dem Türkischen Roten Halbmond verschiedene NGOs aktiv in der Katastrophenhilfe mit[10].

3.1 Türkischer Roter Halbmond (TRH) (1 Seite)

Es werden die Organisationsstrukturen des TRH sowie die Mitgliederzahlen aufgezeigt. Der TRH verfügt als eine der stärksten nationalen Hilfsgesellschaften der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung über etwa 1,2 Millionen aktive Mitglieder.[11]

3.2 Hilfsorganisationen mit religiösem Hintergrund (2 Seiten)

Die Hilfsorganisationen mit religiösem Hintergrund werden in ihren Organisationsstrukturen, ihrem Selbstverständnis und ihren Mitgliedszahlen aufgezeigt, insbesondere die Organisationen „International Foundation for Human Rights and Fredoms and Humanitarian Relief (IHH)“, die sich als islamische Hilfsorganisation versteht, „Kimse Yok Mu (KYM)“ und „Muslim Aid (MA)“. Letztere Hilfsorganisation versteht sich als Organisation, die Muslimen hilft.[12]

4. Fazit (2,5 Seiten)

Aufgrund der bisher erhobenen Daten erstelle ich im Rahmen des Exposés folgendes vorläufiges Fazit. Bei der endgültigen Ausarbeitung der Hausarbeit können sich Änderungen ergeben.

Die Mitgliedszahlen gegenüberstellend wird man feststellen, dass ehrenamtliche Betätigung im Katastrophenschutz im Allgemeinen in der Türkei gemessen an den Bevölkerungszahlen eine wesentlich höhere Wertigkeit besitzt als in Deutschland. 

Erwartungsgemäß bestätigen die Zahlen für Deutschland deutlich Gerhards Statistik über die Bedeutung der Religion im alltäglichen Leben, sofern man postuliert, dass die aktive Mitgliedschaft in einer religiösen Hilfsorganisation tatsächlich unter anderem mit einer bewussten Entscheidung für diesen christlichen Hintergrund einhergeht.[13] Tatsächlich entscheiden sich über 80 % der Deutschen, die in einer NGO mit Bezug zum Katastrophenschutz freiwillig tätig sein wollen, für eine Tätigkeit beim DRK, also einer nicht religiös motivierten Hilfsorganisation. 

Wenn man den Aufsatz von Gerhards[14] über die kulturellen Unterschiede zu Grunde legt, erscheint es erstaunlich, dass trotz des hohen Grades an Religiosität in der Bevölkerung der Türkei einer konfessionslosen Hilfsorganisation (TRH) der Vorzug gewährt wird. Sicher spielen hier auch andere, in dieser Hausarbeit nicht behandelte Hintergründe wie die historische Entwicklung der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung und die relativ „jungen“ religiösen Hilfsorganisationen eine Rolle. Dennoch erlaubt ein Blick auf diese Zahlen einen positiven Rückschluss auf die Modernisierung in der Türkei und unterstreicht schlussendlich Inglehart, wonach die Akzeptanz der Trennung von Religion und Gesellschaft mit der Modernisierung der Gesellschaft einhergeht.[15]

5. Literaturverzeichnis

Die für die Hausarbeit geforderten vier Titel:

Ganapati, M. Emel (2008): Disaster Management Structure in Turkey: Away from a Reactive and Paternalistic Approach? In: Disaster management handbook. Hrsg. Pinkowski, Jack, Boca Raton: CRC Press, S. 281-317.

Gerhards, Jürgen (2005): Passt die Türkei kulturell zu Europa? „Kulturelle Überdehnung?“ – Kulturelle Unterschiede zwischen der EU und der Türkei. In: Der Bürger im Staat – Europa und die Türkei Ausgabe Heft 3/2005. Stuttgart: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, S. 112-117, online abrufbar unter http://www.buergerimstaat.de/3_05/tuerkei_eu.pdfzuletzt abgerufen am 23.08.2012.
Heimgartner, Arno (2004): Ehrenamtliche bzw. freiwillige Arbeit in Einrichtungen sozialer Arbeit. Frankfurt am Main; New York: P. Lang.

Inglehart, Ronald (1997): Modernization and postmodernization. Cultural, economic, and political change in 43 societies. Princeton, N.J: Princeton University Press.

Weitere verwendete Quellen:

DRK – Das Jahrbuch 2011 – 365 Tage helfen, online abrufbar unter http://www.drk.de/fileadmin/Ueber_uns/Zahlen_Fakten/Jahresberichte/Jahrbuch_2011/DRK_Jahrbuch_2011.pdfzuletzt abgerufen am 23.08.2012.
Grundgesetz Deutschland, online abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gg/gesamt.pdfzuletzt abgerufen am 23.08.2012.
Jahresbericht Johanniter Unfallhilfe (2011), online abrufbar unter http://static2.johanniter.de/user_upload/Bilder/JUH/BG/Publikationen/Jahresbericht/P120262_JB_2011_120622_web.pdf, zuletzt abgerufen am 23.08.2012.
Webseiten:
(jeweils zuletzt abgerufen am 23.08.2012)




[1] Vgl. Gerhards, J. (2005), S. 112
[2] Vgl. Gerhards, J. (2005), S. 113
[4] Vgl. Grundgesetz Deutschland, Art. 30, 70, 73
[5] DRK – Das Jahrbuch 2011 – 365 Tage helfen, S. 48
[7] Vgl. Jahresbericht Johanniter Unfallhilfe (2011), S. 28
[9] Vgl. A new change in the disaster management structure of turkey (2009)
[10] Vgl. Ganapati, M. Emel, (2008) S. 293
[12] Es gestaltete sich außerordentlich schwierig, verlässliche Angaben über die Mitgliedszahlen zu recherchieren, da im Gegensatz zu Deutschland keine Jahresberichte o.ä. veröffentlicht werden. Nach Emailkontakt mit den oben genannten religiösen NGOs und dem DRK-Generalsekretariat sowie dem türkischen Roten Halbmond scheint die Anzahl der Helfer 50.000 bei keiner der Organisationen zu überschreiten. Im Falle der Ausarbeitung der Hausarbeit müssten diesbezügliche Recherchearbeiten weiter intensiviert werden.
[13] Heimgartner, A. (2004), S.12
[14] Vgl. Gerhards, J. (2005)
[15] Inglehart, R. (1997), S. 67-107